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Können die historischen Farbspuren auf der Fokker D VII, Baujahr 1918, das Rätsel um die wahre Herkunft dieses Jagdflugzeugs lösen? Die Spurensuche unseres Forscherteams führt nun in die Niederlande.

Das Deutsche Museum ging beim Wiederaufbau seiner Luftfahrtsammlung ab den 1950er Jahren nicht zimperlich mit historischen Anstrichen auf Flugzeugen um: Sie wurden, wie früher vielfach üblich, abgebeizt, über- oder umlackiert und mit deutschen Bemalungen in den Kanon nationaler Ingenieursleistungen eingereiht, obwohl einige Exponate internationale Lebensgeschichten vorweisen konnten. Dieses Schicksal traf auch das heute in der Flugwerft Schleißheim ausgestellte Jagdflugzeug Fokker D.VII.

Wie die Fokker D.VII 1948 in das Deutsche Museum kam

Aus den im Verwaltungsarchiv des Deutschen Museums erhaltenen Akten geht hervor, dass die D.VII nach dem Zweiten Weltkrieg zusammen mit weiteren Flugzeugteilen in einem Schuppen im niederbayerischen Vilsbiburg aufgefunden worden war. Im Herbst 1946 wurde dem Deutschen Museum nach einer Unterredung mit der Landesabwicklungsstelle Bayern vorgeschlagen, eine Zuweisung des Flugzeugs und weiterer gefundener Objekte bei den US-amerikanischen Besatzungsbehörden zu beantragen.

1948 wurde die Fokker dem Museum dann zusammen mit 28 weiteren Objekten von der „Staatlichen Erfassungs-Gesellschaft für öffentliches Gut m.b.H., Zweigstelle Bayern“ angeboten und im selben Jahr offiziell zugesprochen. Als Herkunft der Objekte wurde das in der NS-Zeit unter der Schirmherrschaft von Hermann Göring aufgebaute Museum für Luftfahrt Berlin angegeben, das viele Exponate im Zweiten Weltkrieg ausgelagert hatte und nach dem Krieg nicht wieder eröffnet worden war.

Da der vom niederländischen Luftfahrtpionier Antony Fokker konstruierte Flugzeugtyp D.VII in der Endphase des Ersten Weltkrieg auch von der deutschen Fliegertruppe eingesetzt wurde, war diese Provenienz durchaus plausibel. Auch weil Hermann Göring diesen Typ im Krieg geflogen hatte, war das Flugzeug für die Nationalsozialisten von Interesse. Dazu passte auch die einer Fokker D.VII der deutschen Fliegertruppe von 1918 nachempfundene Bemalung.

Was die historischen Farbspuren verraten

Als die Malerwerkstatt des Deutschen Museums diesen Anstrich 1980 im Zuge der Vorbereitungen der neuen Luftfahrtausstellungen entfernte, stellte sich allerdings heraus, dass das Flugzeug tatsächlich nicht aus dem Bestand des deutschen Heers, sondern aus niederländischen Armeebeständen („Marine Luchtvaart Dienst“) stammte: Eine Farbaufnahme aus dem Januar 1980 zeigt die rechte Rumpfseite der Fokker D.VII mit einem teilweise freigelegten niederländischen Kennzeichen. Auf dem Foto klar erkennbar sind der rote, historische Spannlack, Reste eines flächigen khakifarbenen Anstrichs, eine niederländische Kokarde und die Reste einer großen weißen Kennung, die nur zur Hälfte sichtbar ist. Es sind ein „D“ und der untere Teil einer „2“ eindeutig erkennbar. Von einer zweiten Ziffer ist nur der untere Rest einer Zahl erhalten.

Dem wurde damals allerdings nicht weiter nachgegangen. Neue Bewegung kam in die Geschichte, als die niederländische Zeitschrift Spinner 2013 eine Serie von Artikeln mit den Ergebnissen einer niederländischen Recherche veröffentlichte: Dieser zufolge hatte die deutsche Wehrmacht 1940 eine in de Kooy (heute: Flughafen Den Helder) stationierte Fokker D.VII der niederländischen Marineflieger mit der individuellen Kennung „D-28“ nach Deutschland verbracht. Empfänger soll die Luftfahrtsammlung in Berlin gewesen sein. Die genauen Umstände dieser Aktion sind bislang allerdings noch unklar.

Untersuchung mit bildgebenden Verfahren

Seit 2020 hat es sich ein Team des Deutschen Museums deshalb zur Aufgabe gemacht, die historischen Farbspuren auf der Fokker in der Flugwerft Schleißheim genauer zu untersuchen. Mithilfe bildgebender Verfahren wie Infrarotreflektografie, Thermografie, Blitz-Thermografie und Mikroskopie wurden relevante Bereiche an der Bespannung des Doppeldeckers untersucht. Neben diversen Bauteilmarkierungen an Streben und Ruderhörnern sowie einer bereits bekannten Plakette auf dem Haupttank entdeckte das Team bei den aufwendigen Nachforschungen auch zwei bisher unbekannte Typenschilder: Sie befinden sich auf den Unterseiten von zwei Verkleidungsblechen im Cockpitbereich. Das Typenschild auf dem vorderen Verkleidungsblech trägt die Inschrift „D 28“ und das Datum „22. 7. 33“, das hintere die Inschrift „D. 28“ mit Datum „13. 9. 34“. Es besteht daher aktuell ein starker Verdacht, dass es sich bei dem gesamten Flugzeug um die D-28 aus den Niederlanden handeln könnte. Da die betreffenden Abdeckbleche abnehmbar und austauschbar sind, wird aktuell noch nach weiteren belastbaren Indizien für diese Annahme geforscht.

Hierzu steht das Deutsche Museum mit dem niederländischen Restitutions-Komitee in Kontakt. Ziel ist es, durch kooperative Archivrecherchen Lücken in der Provenienz zu schließen, die genauen Umstände der Verbringung aufzuklären und das Flugzeug eindeutig zu identifizieren. Auch wenn der Vorgang zivilrechtlich betrachtet verjährt sein dürfte, sollen gegebenenfalls aber auch die Möglichkeiten einer Rückführung oder gemeinschaftlichen Präsentation ausgelotet werden.

Kultur und Technik

Bildnachweis Aufmacherbild

Das Titelbild des Beitrags zeigt die Vorderseite einer Postkarte aus dem Jahr 1918. Abgebildet ist eine Fokker VII auf dem Flugplatz der heutigen Flugwerft Schleißheim. Die Rückseite der Postkarte ist ebenso hier zu sehen. "Aus meiner Pilotenzeit. Nach glücklicher Rückkehr aus dem Felde aufgenomen am 10. XI. 18 in Schleißheim. Rückflug von Colmar bis Schleißheim. Rund in 2 Stunden." Es handelt sich nicht um die Fokker D VII aus der Sammlung des Deutschen Museums.

Die faszinierende Welt der Luftfahrt

Autor/in

Andreas Hempfer

Andreas Hempfer ist Historiker und Kulturwissenschaftler und als Kurator für Luftfahrt bis 1945 am Deutschen Museum tätig.

Sein Tipp für einen Besuch im Deutschen Museum: Natürlich die Flugwerft Schleißheim mit ihrer einzigartigen Gläsernen Werkstatt, in der man die Arbeit unserer Flugzeugrestauratoren erleben kann!

Dennis Mitschke

Dennis Mitschke ist als Scholar in Residence am Forschungsinstitut des Deutschen Museums tätig.

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