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Das in der Flugwerft Schleißheim ausgestellte Jagdflugzeug stand schon länger im Verdacht, NS-Raubgut zu sein. Nun kehrt die D.VII vorerst als Leihgabe in die Niederlande zurück.

„Alles nur Tarnung?“ lautete der Titel unseres vor einem Jahr veröffentlichten Blogbeitrags zur Fokker D.VII in der Flugwerft Schleißheim. Wie man seit einer Restaurierung im Jahr 1980 weiß, steckt unter dem Anstrich als deutsches Jagdflugzeug aus der Zeit des Ersten Weltkriegs in Wirklichkeit nämlich ein Flugzeug der niederländischen Marineflieger, das noch bis in die 1930er Jahre geflogen wurde. Wie es zu dieser Verwandlung kam, war bis vor Kurzem völlig unklar. Von manchen wurde vermutet, dass die kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs von der US Army in einem Schuppen im niederbayerischen Vilsbiburg entdeckte und 1948 dem Deutschen Museum zur Verwahrung übergebene D.VII Nazi-Raubgut aus den besetzten Niederlanden war. Einen klaren Nachweis gab es dafür aber nicht. Nun ist es einem gemeinsamen Rechercheprojekt des Deutschen Museums und der niederländischen Stichting Koninklijke Defensiemusea gelungen, die Geschichte des Flugzeugs in weiten Teilen aufzuklären.

Umbau bei Fokker Amsterdam

Das vielleicht überraschendste Ergebnis der Recherchen: Das Flugzeug wurde nicht in Deutschland, sondern bereits in den Niederlanden umlackiert. Das belegen zwei Fotos, die das niederländische Rechercheteam im Archiv des Aviodrome-Museums, Lelystad, gefunden hat. Vergleicht man die Bilder mit den frühesten Aufnahmen der Fokker D.VII im Deutschen Museum, handelt es sich eindeutig um das gleiche Flugzeug: Das Tarnmuster des Anstrichs ist bis in die Details komplett identisch. Einziger Unterschied: In der (fiktiven) deutschen Kennung auf der Rumpfseite fehlt noch die Nummer „4404/18“. Die Fotos dürften demnach kurz vor Abschluss der Umgestaltung des Flugzeugs von niederländisch zu deutsch entstanden sein.

Auch der Ort, an dem diese Aktion stattfand, konnte anhand der Fotos ermittelt werden: Aufgrund der auffälligen Betonbauweise ließ sich die Halle, in der das Flugzeug auf den Fotos steht, als eine ehemalige Lagerhalle der Firma Blaauwhoedenveem im Amsterdamer Hafen identifizieren, die, jedenfalls in der Zeit der deutschen Besatzung, von den niederländischen Fokkerwerken als Nebenbetriebsstätte genutzt wurde.

Hier muss die D.VII auch wieder auf eine Motorisierung aus der Zeit des Ersten Weltkriegs umgerüstet worden sein. Bei allen Fokker D.VII des niederländischen Marineluftfahrtdiensts – darunter auch die den 1980 entdeckten Nummernresten nach in Frage kommenden Maschinen mit den Kennungen D 20, D 26 und D 28 – wurden die ursprünglich verbauten BMW IIIa-Höhenflugmotoren 1927 nämlich gegen leistungsstärkere BMW IV-Motoren ausgetauscht. Weil der Kühler dabei von der Schnauze auf die Unterseite des Rumpfs verlegt werden musste, sahen die Flugzeuge danach vorne ganz anders aus. Auch der Motor (Daimler D.IIIa, 160 PS, Serien-Nr. 45266), der Kühler und die Motorverkleidung der D.VII in der Flugwerft Schleißheim sind also, obwohl bzw. gerade weil sie der Zeit des Ersten Weltkriegs entsprechen, nicht original.

Eine Geschenkaktion für Hermann Göring

Warum aber hat Fokker Amsterdam eine modernisierte niederländische D.VII zu einer deutschen Erste Weltkriegs-D.VII umgebaut? – Wie sich im Zuge der Recherchen herausstellte, war der Grund eine Geschenkaktion für Hermann Göring. Unmittelbar nach der deutschen Besatzung der Niederlande im Mai 1940 hatte Göring die kriegswichtigen Fokkerwerke unter deutsche Verwaltung stellen lassen und den bisherigen Vertriebschef Friedrich Seekatz als neuen Direktor eingesetzt. Beide kannten sich noch aus der Zeit des Ersten Weltkriegs: Damals hatte Fokker noch in Deutschland produziert und 1917/18 die D.VII als neues, besonders wendiges und höhentaugliches Jagdflugzeug für die deutschen Luftstreitkräfte entwickelt. Einer der Kampfpiloten, die den neuen Flugzeugtyp ab April 1918 flogen, war Hermann Göring. Seekatz hatte 1914 als Ingenieur bei Fokker angefangen. Nach dem Krieg wechselte Göring ins für die Abwicklung von Rüstungsgut zuständige Reichsverwertungsamt und fädelte in dieser Position mit Seekatz einen Deal zum Rückkauf von fast hundert D.VII aus dem Bestand des deutschen Heeres ein, die nach den Waffenstillstandsvereinbarungen von Compiègne eigentlich an die Alliierten abzuliefern gewesen wären. Die anschließend in einer Nacht-und-Nebel-Aktion auf Zügen in die Niederlande überführten Flugzeuge ermöglichten Fokker einen geschäftlichen Neustart in Amsterdam.

Dank seiner alten Bekanntschaft mit Göring war Seekatz nun also zum Direktor aufgestiegen. Und wie aus einem für die niederländische Exilregierung bestimmten Geheimdienstbericht zur Situation bei Fokker in der deutschen Besatzungszeit hervorgeht, wollte Seekatz sich für diesen Karrieresprung, im Wissen um Görings Faible für die Fokker D.VII, mit einem ganz besonderen Geschenk bedanken: Zuerst war offenbar geplant, eine alte D.VII, die „irgendwo in den Niederlanden gefunden worden war“, für Göring wieder flugfähig zu machen. Als diese sich dann als „zu alt und zu verschlissen“ erwies, um sie an Göring zu verschenken, änderte man den Plan und begann damit, eine technisch völlig neue D.VII für Göring zu konstruieren, bis auch dieses Projekt wegen kriegswichtigerer Aufgaben Ende Juli 1940 wieder aufgegeben wurde. 

Das in der Flugwerft Schleißheim ausgestellte Flugzeug dürfte demnach die im Juni/Juli 1940 bei Fokker in Amsterdam für Hermann Göring hergerichtete alte niederländische D.VII sein – die als Geschenk für Göring natürlich, zumindest äußerlich, wie eine deutsche D.VII aus der Zeit des Ersten Weltkriegs aussehen musste. Daher die Umlackierung und deshalb die Umrüstung der Motorisierung.

Wie die D.VII nach Vilsbiburg kam 

Bleibt die Frage, warum das am Ende doch nicht an Göring verschenkte Flugzeug schließlich nach Vilsbiburg kam. Weil in den Akten der US Army zur Auffindung des Flugzeugs und diverser Flugmotoren im Juli 1945 von einem „depository of the Museum der Luftfahrt (Aircraft Museum) Berlin NW 40 Alt-Mobabit 4/10“ die Rede ist, wurde verschiedentlich vermutet, dass die D.VII Teil der Deutschen Luftfahrtsammlung wurde, die sich seit 1936 an genau dieser Adresse in Berlin befand, bis sie im Sommer 1943 zum Schutz vor Luftangriffen nach Pommern bzw. ins niederbayerische Vilsbiburg ausgelagert wurde. Tatsächlich gab es in der Deutschen Luftfahrtsammlung eine ähnliche D.VII. Diese war dort allerdings schon 1939 ausgestellt und soll bereits 1931 im Luftfahrtmuseum in Böblingen zu sehen gewesen sein. Schon damit ist ausgeschlossen, dass es sich um das gleiche Flugzeug handelt: Die D.VII in der Flugwerft Schleißheim war den bereits im Blogbeitrag Alles nur Tarnung? vorgestellten Plaketten auf den Verkleidungsblechen des Rumpfs zufolge ja bis mindestens 1934 bei den niederländischen Marinefliegern im Betrieb und befand sich, wie wir inzwischen wissen, im Sommer 1940 nachweislich noch bei Fokker in Amsterdam. Aus Akten im Staatsarchiv Landshut (LfVW, Außenstellen, A 1616) geht außerdem hervor, dass der einer Frau Angermund gehörende Schuppen in Vilsbiburg bereits im April 1942 zur Einlagerung von „Luftwaffenmuseumsgut“ an das Luftgaukommando VII vermietet wurde – also über ein Jahr bevor die Deutsche Luftfahrtsammlung ausgelagert wurde.

Ein Sammellager für Görings „Zeughaus der Luftwaffe“

Den wahren Grund für die Adresse in den Akten der US Army findet man im Bundesarchiv im Luftwaffen-Verordnungsblatt: Wie aus den Verordnungen Nr. 1749 vom 3.7.1942 und Nr. 614 vom 22.3.1943 hervorgeht, hatte Göring vor, die Deutsche Luftfahrtsammlung durch zwei erheblich größere neue Museen zu ersetzen: ein (ziviles) „Museum der Luftfahrt“ und ein (militärisches) „Zeughaus der Luftwaffe“. Obwohl mit dem Bau der neuen Häuser erst nach dem Krieg begonnen werden sollte, ordnete Göring für das „Zeughaus der Luftwaffe“ bereits 1942/43 eine groß angelegte Sammelaktion an, die auch das „Sicherstellen“ geeigneter Beutestücke „im Feindesland“ umfasste. Die gesammelten Stücke waren durch spezielle „Sammeloffiziere“ zu erfassen und bis Kriegsende dezentral in von den Luftgaukommandos einzurichtenden Sammellagern einzulagern. Für die Koordination war das Museum der Luftfahrt in Berlin zuständig, das bis zum Bau der neuen Museen vorläufig weiter am Standort der bisherigen Deutschen Luftfahrtsammlung blieb, Anschrift: „Berlin NW 40, Alt Moabit 4–10“. Der Schuppen in Vilsbiburg war also kein Auslagerungsort der Deutschen Luftfahrtsammlung, sondern eines der Sammellager für Görings geplantes „Zeughaus der Luftwaffe“.

Für diese These spricht auch die folgende Entdeckung: Die Vermieterin des Schuppens, Franziska Angermund, war die Frau von Walter Angermund – wie Göring früher ein bekannter Erster Weltkriegs-Kampfpilot, der ab 1939 im Reichsluftfahrtministerium in der Adjutantur des Generalluftzeugmeisters u. a. als Referent für „Presse-, Film- und Ausstellungswesen“ beschäftigt war. In dieser Funktion hatte Angermund bereits im September 1940 den Auftrag bekommen, vorbereitende Arbeiten für eine neue Luftfahrtsammlung durchzuführen. Die ursprünglich als persönliches Geschenk für Hermann Göring umgebaute Fokker D.VII lagerte bei den Angermunds als zukünftiges Exponat für Görings Luftfahrtmuseumsprojekte nach dem Krieg.

War die Fokker D.VII schon in den Niederlanden ein Museumsstück?

Bis hierhin ist die Provenienz der Fokker D.VII in der Flugwerft Schleißheim auf alle Fälle unschön. Der Fall wird aber noch brisanter: Aus Archivalien im Amsterdamer Stadtarchiv und im Aviodrome Lelystad geht hervor, dass eine der insgesamt zwanzig Fokker D.VII des niederländischen Marineluftfahrtdiensts – nämlich die mit der Kennung D 28 – im Juni 1937 dem Königlich Niederländischen Luftfahrtverband (KNVvL) als Ausstellungsstück für ein geplantes Nationales Luftfahrtmuseum der Niederlande überlassen und bis zu dessen Fertigstellung in einem Hangar auf dem Flughafen Schiphol eingelagert wurde.

Des Weiteren gibt es ein kurz nach der deutschen Besatzung der Niederlande entstandenes Foto, das Hermann Göring am 25. Mai 1940 auf dem Flughafen Schiphol mit einer Fokker D.VII zeigt. Die Kennnummer des Flugzeugs ist auf dem Foto nicht zu sehen. Ein weiteres Foto, das dem deutschen Flugzeugwrack im Hintergrund zufolge ebenfalls kurz nach der Kapitulation der Niederlande aufgenommen worden sein muss und die D 28 mit demontierten Flügeln auf einem Lastkahn zeigt – der Aufnahmeort dürfte der Ringvaart-Kanal am Flughafen Schiphol sein – legt jedoch nahe, dass die D.VII auf dem Foto mit Göring tatsächlich die D 28 ist.

Damit steht der Verdacht im Raum, dass es sich bei der Fokker D.VII in der Flugwerft Schleißheim um von den Nazis gestohlenes oder beschlagnahmtes niederländisches Kulturgut handelt. Sollte sich das bewahrheiten, wäre die D.VII nach Art. 56 der Haager Landkriegsordnung (besonderer Schutz von Kulturgut vor Beutenahme) unzulässige Kriegsbeute gewesen und somit ein potentieller Fall für eine Restitution. Womit sich zwei zentrale Fragen stellen: Ist die D.VII in der Flugwerft Schleißheim tatsächlich die D 28? Und wenn ja: Wie haben sich die Deutschen diese angeeignet? Leider gibt es auch nach über einem Jahr gemeinsamer Recherchen auf beide Fragen keine eindeutige Antwort.

D 28 oder D 20?

Das einzige bekannte Foto der bei der Restaurierung im Jahr 1980 freigelegten niederländischen Kennnummer gibt dazu keine klare Auskunft: Die erste Ziffer muss eine 2 gewesen sein, die zweite könnte eine 8, genauso gut aber auch eine 0 oder eine 6 gewesen sein. Letzteres würde den Fall um einiges entschärfen: Die Maschinen mit den Kennungen D 20 und D 26 waren zu keinem Zeitpunkt Museumsstücke, sondern wurden im Lauf der 1930er Jahre ausgemustert und zur Verschrottung freigegeben. Auch die seit 2020 mit verschiedenen Verfahren vorgenommenen Untersuchungen der Lackschichten erbrachten in der Frage bisher keinen Aufschluss.

Starke Indizien für eine Identität mit der D 28 sind die 2020 auf der Innenseite der oberen Rumpfverkleidung entdeckten Fertigungsplaketten mit der eingeprägten Kennzeichnung „D.28“. Inzwischen wurde sogar noch eine dritte Plakette mit dieser Kennzeichnung gefunden. Allerdings sind die mit Flügelschrauben fixierten Verkleidungsbleche mit wenigen Handgriffen abnehmbar, und man weiß, dass es in den Werkstätten der Marineflieger üblich war, bei Bedarf Teile aus einer Maschine in andere Maschinen einzubauen. Möglich wäre also auch, dass nur die Bleche von der D 28 stammen, der Rumpf dagegen von der D 20 oder der D 26. Die komplette Vorderpartie ist, wie oben geschildert, ohnehin nicht original und muss von (mindestens) einem dritten Flugzeug stammen.

Für einen möglichen Zusammenbau spricht auch, dass es gleichzeitig Indizien in Richtung D 20 gibt: So findet sich in den Akten des Deutschen Museums zur D.VII außer dem bereits bekannten Foto von der Restaurierung im Januar 1980 auch eine grobe Skizze der Malerwerkstatt, auf der rechts eine 20 steht. Und auch in der Korrespondenz mit einem an der Fokker D.VII interessierten Luftfahrthistoriker legte sich das Deutsche Museum damals auf die D 20 fest: „Da auch die linke Rumpfseite restauriert wurde, ließ sich jetzt feststellen, daß das Kennzeichen ‚D-20‘ stimmt. Sie müssen also bei Ihren Nachforschungen von diesem Kennzeichen ausgehen“, heißt es in einem Brief vom 29.8.1980. Dass die D 20 weniger brisant als die D 28 ist, war damals nicht bekannt. Nicht auszuschließen ist allerdings, dass man auch damals von der niederländischen Kennung nicht mehr gesehen hat als auf dem Foto und die Beschriftungsreste einfach als „D 20“ interpretierte.

Allerdings gibt es auch am Flugzeug selbst ein Merkmal, das eher zur D 20 passt: Einer mit „vliegkamp de kOOy / inh. 105. liter. / 24.5.27.“ beschrifteten Plakette zufolge bekam das Flugzeug im Mai 1927 einen größeren Tank.  Anlass dürfte die oben erwähnte Umrüstung der niederländischen Marine-D.VII auf stärkere BMW IV-Motoren gewesen sein. Diese wurde bei der D 28 allerdings schon Anfang 1927 vorgenommen (vor dem 28.2.1927), wogegen die D 20 ihren ersten Flug mit dem neuen Motor erst am 14. Juli 1927 absolvierte. Auch wenn nicht völlig ausgeschlossen werden kann, dass die D 28 erst einige Monate nach der Umrüstung des Motors einen größeren Tank bekam, deutet das Datum auf der Plakette somit eher auf die D 20 hin.

Beschlagnahmt oder vielleicht doch geschenkt?

Unklar bleibt bisher leider auch, unter welchen Umständen das Flugzeug in die Hand der Deutschen Besatzer kam. Im Fall der D 20 ist bislang nur gesichert, dass diese am 16.3.1937 bei den Marinefliegern ausgemustert wurde. Das Flugzeug muss anschließend aber nicht unmittelbar verschrottet worden sein. Die stillgelegte Maschine könnte auch beim Marineluftfahrtdienst verblieben sein und dort dann im Mai 1940, wie es im Geheimdienstbericht heißt, von den Deutschen „gefunden“ worden sein. 

Im Fall der D 28 müsste sich dieses „gefunden“ auf den Hangar in Schiphol beziehen, in dem die D 28 damals eingelagert war. Belegt ist, dass Hermann Göring die D 28 am 25. Mai 1940 in Schiphol besichtigt hat und dass es zu Beginn der deutschen Besatzung einen Transport des Flugzeugs gab. –  Bedeutet das, dass die D 28 damals beschlagnahmt wurde? Nicht unbedingt: Den niederländischen Luftfahrthistorikern Jan Hagens und Ab. A. Jansen zufolge ist der Besuch Görings in Schiphol am 25. Mai 1940 nämlich weit weniger feindselig verlaufen als man vermuten würde: So soll „der äußerst wohlwollende Göring“ dem Direktor der staatlichen Fluggesellschaft KLM, Albert Plesman, umgehend versichert haben, alle Schäden zu ersetzen, die durch die Bombardierung des Flughafens in den Tagen zuvor entstanden waren. Am Abend dinierten Deutsche und Niederländer gemeinsam im Hotel Amstel: „Der korpulente Deutsche [Göring] konnte ein äußerst charmanter Gastgeber sein und die Stimmung war ausgezeichnet.“ Am Tag darauf soll Plesman seine Mitarbeiter angewiesen haben: „Tun Sie alles für diese Leute, in drei Monaten werden wir wieder fliegen!“ In der Folge kooperierte die KLM mit den Besatzern. Auch der mit Plesman befreundete Vorsitzende des niederländischen Luftfahrtverbands KNVvL, der die D 28 1937 in Schiphol eingelagert hatte, Marinus Hendricus Damme, kooperierte in seinem Hauptberuf als Generaldirektor des niederländischen Staatsbetriebs für Post, Telegrafie und Telefon mit den deutschen Besatzern. Vor diesem Hintergrund scheint es nicht ausgeschlossen, dass die Spitzen der niederländischen Luftfahrt die D 28 Göring (bzw. den Deutschen) damals möglicherweise von sich aus überlassen haben, um sich mit den neuen Herren gut zu stellen. Was auch erklären würde, warum der KNVvL nach Kriegsende zwar die beschlagnahmten Sportflugzeuge seiner Mitglieder von Deutschland zurückforderte, nicht aber die D 28. Ob es tatsächlich so war, ist aber keineswegs gesichert.

Eine einvernehmliche Zwischenlösung

Nach über einem Jahr intensiver gemeinsamer Recherchen zur Provenienz der Fokker D.VII in der Flugwerft Schleißheim ist damit zwar vieles geklärt. Die zentralen Fragen der genauen Identität des Flugzeugs sowie der Umstände seiner Aneignung/Überlassung bleiben aber offen und es ist fraglich, ob sich diese Lücken jemals schließen lassen werden. Eines ist allerdings auch jetzt schon sicher: Dass die D.VII heute mit einem deutschen Tarnanstrich im Deutschen Museum steht, steht in jedem Fall aufs Engste mit dem Unrechtskontext der deutschen Besatzung der Niederlande im Zweiten Weltkrieg in Verbindung und wäre ohne diese nie passiert. 

Gibt es in solchen Fällen eine faire und gerechte Lösung? – Was sicher nicht fair wäre, wäre nichts zu tun und die D.VII trotz ihrer fragwürdigen Provenienz einfach weiter in der Flugwerft Schleißheim zu belassen. Das Deutsche Museum und die Stichting Koninklijke Defensiemusea haben sich deshalb auf eine Übergangslösung verständigt: Während die Recherchen ergebnisoffen weiterlaufen, wird die D.VII ab Juli 2025 für (zunächst) fünf Jahre an das niederländische Militärmuseum in Soesterberg verliehen, wo mit dem Flugzeug auch dessen besondere Geschichte ausgestellt werden wird. Wer die Fokker D.VII noch in der Flugwerft Schleißheim sehen will, muss sich also beeilen.

Literatur und Tipps zum Weiterlesen

  • Anonym: Neues vom „Museum der Luftfahrt“ in Berlin. In: Der Deutsche Sportflieger 5/1943, S. 82-83.
  • Chijs, Ingrid van der: Luchtmeisjes. Verzet en collaboratie van twee stewardessen. Amsterdam 2012.
  • Dierikx, Marc: Anthony Fokker. The Flying Dutchman who shaped American aviation. Washington 2018.
  • Fokker, A. H. G. & Gould, Bruce: Der fliegende Holländer. Das Leben des Fliegers und Flugzeugkonstrukteurs A. H. G. Fokker. Zürich 1933.  
  • Geldhof, Nico: De Fokker D. VII in dienst van de Nederlandse Militaire Luchtvaart. Maarssen 2008.
  • Hagens, Jan: Londen of Berlijn? De KLM en haar personeel in oorlogstijd, Bd. 1: 1939-1941. Bergen 2000.
  • Jansen, Ab. A.: Fliegerhorst Schiphol. Onze nationale luchthaven in bezettingstijd, Bd. 1: In het offensief. Amsterdam 1996.
  • Mitschke, Dennis: Deutsch oder „Dutch“? – Untersuchungen an der textilen Bespannung und dem Anstrich der Fokker D.VII aus dem Deutschen Museum, München. Masterarbeit, Institut für Konservierungswissenschaften, Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart 2020.
  • Steinle, Holger & Venn, Astrid: Flugzeuge mit Geschichte. Die Luftfahrtsammlung des Deutschen Technikmuseums Berlin. Königswinter 2009.

Mein besonderer Dank gilt dem Team der niederländischen Stichting Koninklijke Defensiemusea: Alfred Staarman, Coert Munk und Fabienne van Beek. Für Unterstützung bei den Recherchen zur Deutschen Luftfahrtsammlung und Walter Angermund danke ich Peter Prölß, Katja Boegner und Nina Kubowitsch von der Provenienzforschung des Deutschen Technikmuseums Berlin. Im Deutschen Museum danke ich vor allem Andreas Hempfer, Dennis Mitschke und Mathias Winkler.

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Autor/in

Bernhard Wörrle

Bernhard Wörrle ist promovierter Ethnologe und leitet seit 2013 das digitale Sammlungsmanagementsystem des Deutschen Museums. Sein aktueller Forschungsschwerpunkt ist koloniales Sammlungsgut.

Sein Tipp für einen Besuch im Deutschen Museum: Die Ausstellung Historische Luftfahrt auf der Museumsinsel. Sie zeigt und erklärt die tolle Technik, spart aber auch unbequeme Seiten wie die Zwangsarbeit in der Rüstungsproduktion des 'Dritten Reichs' oder den Einsatz der Ju 52 im französischen Algerienkrieg nicht aus. Lohnt sich!