Direkt zum Seiteninhalt springen

von , ,

Zum Jahresbeginn 2025 hat das Deutsche Museum einen europäischen Projektantrag eingereicht bei dem der BMW 328 Wendler eine der Fallstudien darstellt. Das Projekt will neue Methoden der Künstlichen Intelligenz entwickeln, um materielle Veränderungen in musealen Objekten in Relation zu Klimaschwankungen zu setzen. Daraus sollen Risiken des Klimawandels für technische Kulturgüter bewertet werden, damit Institutionen sich besser vorbereiten und qualifizieren können, um diese Herausforderungen zu erkennen und zu bewältigen. Dies ist Anlass genug, einen Blick auf das stromlinienverkleidete Fahrzeug von 1938, seine Geschichte und bereits erfolgreich durchgeführte Forschungsprojekte zu legen.

Ein aerodynamisches Sportcoupé

Der BMW 328 Wendler ist ein Stromlinienfahrzeug der späten 1930er Jahre. Als eines der frühen deutschen Stromlinienkonzepte steht das Fahrzeug beispielhaft für die Entwicklung der Aerodynamik im Automobilbau.

Der leistungsstarke BMW-Sportwagen erhielt eine Karosserie, die auf die Verringerung des Luftwiderstands hin konzipiert wurde. Das Fahrzeug im Deutschen Museums ist eines von sieben Fahrzeugen, die 1937/38 auf Basis von BMW-Sportwagen der Baureihen 326 und 328 von der Karosseriebaufirma Wendler nach Plänen des Ingenieurs Reinhard Freiherr von Koenig-Fachsenfeld (1899-1992) mit einer Stromlinienkarosserie nach Patenten des Aerodynamikers Paul Jaray (1889-1974) versehen wurden. Der Aufbau weist entsprechend Jaray-typische Merkmale auf. Während die fünf Fahrzeuge auf BMW 326-Basis als verschollen gelten, haben die zwei BMW 328 Wendler überlebt.

Der BMW 328 Wender repräsentiert in seiner Stromlinienform einerseits die technischen und aerodynamischen Fortschritte des deutschen Automobilbaus vor dem Zweiten Weltkrieg und zeigt anderseits eine konservative, am klassischen Wagenbau verhafteten Holzspantenaufbau mit einer Aluminiumbeplankung. Der 6-Zylinder-Viertaktmotor hinter der Vorderachse hat ein Hubraum von 1971 ccm und lieferte 59 kW (80 PS) bei 4500 U/min. Durch den reduzierten Luftwiderstandsbeiwert der aerodynamischen Form, wie auch den vergleichsweise leichten Aufbau aus Aluminium, erreichte der Sportwagen eine Spitzengeschwindigkeit von etwa 180 km/h. Das bedeutete eine Steigerung der Geschwindigkeit um ca. 30 km/h gegenüber einem gleichwertigen Fahrzeug ohne Stromlinienverkleidung.

Spezialanfertigung auf Auftrag

Beauftragt wurde der Wagen mit Sonderaufbau von Dr. (Heinz) Rosterg (1904-1990), leitender Mitarbeiter der Firma Wintershall und Sohn von August Rosterg. Ob es sich hierbei um einen Privatwagen oder einen Firmenwagen handelte, ist quellenmäßig nicht eindeutig. Heinz Rosterg, privat ein Freund von Rennwagen, war gelernter Kaufmann und Jurist. Er promovierte 1928 mit einer Arbeit über den deutsch-französischen Kalivertrag von 1926. Die Wintershall AG war in den 1930er Jahren der zweitgrößte deutsche Chemiekonzern und in der NS-Zeit ein wichtiges Unternehmen der deutschen Chemie-, Erdöl- und Rüstungsbranche. Vater August Rosterg zählte zu den Förderern und Profiteuren des NS-Regimes. Über den „Freundeskreis Reichsführer SS“ trat August Rosterg 1935/36 in persönlichen Kontakt mit Heinrich Himmler und begann, die parteipolizeilichen Projekte der SS finanziell zu fördern. Gegen Ende des Krieges übernahm Heinz Rosterg die Konzernleitung, die er – abgesehen von einer mehrjährigen Unterbrechung nach Kriegsende – bis in die 1960er Jahre innehatte. 1969 übernahm die BASF AG schließlich die Wintershall AG.

Die Fahrgestelle der BMW 328 Stromlinien wurden im BMW-Werk Eisenach gebaut. Das von Rosterg bestellte Fahrzeug wurde im Januar 1938 das Fahrwerk ohne Karosserie an den Automobilhändler „Fa. Motorwagen“ in Kassel ausgeliefert. Anschließend fertigte die Wagen- und Karosseriebaufirma Erhard Wendler mit Sitz in Reutlingen die stromlinenförmige Karosserie. Erhard Wendler kam aus der Tradition des Kutschenbaus und spezialisierte sich in den 1920er auf besondere Aufbauten für Autokarosserien.

Auf der Rennstrecke in Montlhéry

Der BMW 328 Wendler des Deutschen Museums wurde nach Recherchen des Schweizer Fachjournalisten Hanspeter Bröhl aus den 1970er Jahren kurz vor Kriegsausbruch 1939 für Testzwecke auf die französische Rennstrecke in Montlhéry gebracht. Nachdem die Rennstrecke mit Kriegsausbruch im September 1939 dem französischen Kriegsministerium unterstellt wurde, soll das Fahrzeug nach den Recherchen Bröhls in Montlhéry verblieben sein. Der Verbleib in Montlhéry während des Zweiten Weltkrieges ist nicht durch Fotos belegt, galt aber nach den Recherchen Bröhls als gesichert und wurde seit Mitte der 1970er Jahre in Fachpublikationen zum Wendler so angeführt. Spätestens ab 1947 diente der Wendler als Schulungswagen des französischen Verbands der Rennfahrer (Association Francaise des Coureurs es Automobile, A.G.A.C.I.) auf der französischen Rennstrecke in Montlhéry. Für den Einsatz als Fahrschulwagen für angehende Rennfahrer wurde der BMW baulich angepasst. Auf der Beifahrerseite wurde ein zweites Bremspedal eingebaut, neue Schalensitze wurden eingesetzt und der hintere Quersitz entfernt. Das Faltschiebedach wurde zudem mit einer Platte abgedeckt. Um Fahranweisungen auch vom Streckenrand übermitteln zu können, wurde es mit zwei Antennen sowie einem drahtlosen Telefon ausgestattet.
Nach Jahren intensiver Nutzung ging das Fahrzeug auf den französischen Automobildesigner Philippe Charbonneaux über – ob als Schenkung oder Ankauf ist unklar. Jener restaurierte den Motor wie die andere mechanische Teile. Um 1974 kam das Musée Automobile de Provence in den Besitz des Fahrzeugs für seine Ausstellung.

Der BMW Wendler kommt in die Sammlung des Deutschen Museums

Das Musée Automobile de Provence annoncierte wenige Jahre später den Verkauf des Wagens in mehreren Zeitschriften. Darauf aufmerksam geworden, kaufte das Deutsche Museum das Fahrzeug, dass mit seiner besonderen Stromlinie sehr gut ins Konzept einer naturwissenschaftlich-technischen Sammlung passt, im März 1978 an und präsentierte es bis 2003 ununterbrochen in der Kraftfahrzeugausstellung. Der ursprüngliche Auftraggeber, Heinz Rosterg, erfuhr auch selbst von Ankauf und Ausstellung im Deutschen Museum. Laut Sohn Fred Rosterg besichtigten er und sein Vater das Auto Anfang der 1980er Jahre gemeinsam in München.

Bis 2003 war der BMW 328 Wendler in der Abteilung Straßenverkehr ausgestellt. Bei den Vorbereitungen für den Umzug der Abteilung in das Verkehrszentrum ergab eine Bestandsaufnahme, dass die Karosserie durch Verformungen des Holzgerippes stark verzogen war. Mit Rücksicht auf mögliche Transport- und potentielle weitere Strukturschäden durch die Präsentation in der Ausstellung ohne vorhergehende Restaurierung, wurde der Wagen vorerst in ein Depot verbracht und wurde in den Folgejahren Gegenstand verschiedener technischer Untersuchungen und Forschungsprojekte.

Das Stromlinienfahrzeug als Gegenstand der Forschung

Seit 2010 wurden verschiedene Projekte zur vertiefenden Provenienz- und Konservierungsforschung zum Fahrzeug durchgeführt. Diese gingen unter anderem offenen Fragen zur Originalität des Wagens, zu Nutzung und Gebrauchsspuren, aber auch zu Standorten und Besitzverhältnissen zwischen 1939 und 1947 und vor allem zur Materialität und Struktur des Wagens nach. Sie ermittelten viele neue Details über die Geschichte und technischen Zustand des Fahrzeugs.
Den Anfang machte ein umfangreiches Projekt zur Provenienzforschung zur Kraftfahrzeugsammlung des Deutschen Museums in Kooperation mit dem Technikmuseum Wien zur Provenienz der automobilen Sammlung in Wien und im Deutschen Museum von Fahrzeugen mit Baujahren vor 1945. Im Kern ging es dabei darum, Fahrzeuge zu identifizieren, die ggf. durch Enteignung jüdischer Besitzer in die Sammlungsbestände gelangt sind. Dazu wurden umfangreiche Quellenbestände zur Provenienz aller Automobile und Motorräder der Sammlung des Deutschen Museums mit Baujahren bis 1945 in Archiven gesichtet. Untersucht wurde auch die Provenienz des BMW 328 Wendler. Hierbei ergaben sich keine Anhaltspunkte, an der überlieferten Objektgeschichte zu zweifeln.

Daran anschließend war der BMW 328 Wendler in den Jahren 2014-2017 mehrfach Gegenstand einer aufwendigen berührungsfreien Diagnostik der materialen Struktur und technischen Entwicklung des Wagens in Kooperation mit Lehrstühlen für Restaurierung, Kunsttechnologie und Konservierungswissenschaft, Ingenieurgeodäsie, zerstörungsfreie Prüfung der Technischen Universität München und dem Entwicklungszentrum Röntgentechnik EZRT des Fraunhofer Instituts in Erlangen.

Aufgrund der Verformungen des Holzrahmens lag der Fokus darauf, zu ergründen wie stabil der Holzrahmen, seine Verbindungen zum Fahrgestell und zum Rumpf sind. Dabei galt es, irreversible Veränderungen am Fahrzeug zu vermeiden. Weder sollte der Rumpf des Wagens geöffnet, noch einzelne Teile demontiert werden. Durch Methoden der zerstörungsfreien Prüfung wie Computertomografie auf Basis von Röntgen Strahlung und 3D-Laserscans konnte diese Vorgabe umgesetzt werden. Die Ergebnisse wurden multiperspektivisch von den Lehrstühlen der TUM sowie dem Entwicklungszentrum Röntgentechnik EZRT des Fraunhofer Instituts und dem Deutschen Museum ausgewertet. Im Rahmen des Projekts entstand eine Masterarbeit. Die Lackanalyse half darüber hinaus, historische Fotografien des Wagens chronologisch exakter einzuordnen. Die auf den Abbildungen erkennbaren und in den wenigen Quellen erwähnten Umbauten konnten ebenfalls rekonstruiert und die Originalität des Fahrzeugs bestätigt werden. Dabei gab es einige Überraschungen. Die XXL-CT-Scans z.B. machten sichtbar, dass der ursprünglich verbaute Dachtank noch vorhanden ist. Anhand des Aufbaus konnte er als Wassertank für eine Scheibenwischanlage identifiziert werden. In der Literatur war zum Teil von einem Ersatz-Benzintank die Rede gewesen. Die CT-Scans brachten zudem bislang unbekannte Ausstattungen zum Vorschein, etwa eine unter dem Dachhimmel befindliche Innenbeleuchtung inklusive Verkabelung. Zudem wurden Unfallschäden sichtbar, etwa der 1939 fotografisch dokumentierte Zusammenstoß mit einem Hasen. Die Differenz zwischen zwei 3D-Laserscans (vor und nach dem Transport zum XXL-CT Scanner) ließen minimale Verformungen nach dem Transport erkennen, was darauf hindeutet, dass die Struktur relativ gesund ist. Das Forschungsprojekt zur zerstörungsfreien Untersuchung sowie die Materialanalyse des BMW 328 Wendler ergaben, dass eine Ausstellung des Wagens unter der Voraussetzung verschiedener Konservierungs- und Restaurierungsschritte möglich ist.

Schwierige Quellenlage und neue Fragen zur Provenienzforschung

Im Rahmen des Forschungsprojektes wurde 2015 Kontakt mit Fred Rosterg, dem Sohn von Heinz Rosterg, aufgenommen, um zu erfahren, ob die Familie Rosterg privat weitergehende Informationen oder Fotografien des Sportwagens besitzt. Hierbei interessierten vor allem Fotografien des originalen Innenraumes, über den keine Informationen vorlagen. Vertiefende schriftliche Dokumente oder Fotografien konnte die Familie Rosterg nicht ergänzen, so dass weiterhin einige Fragen zu Material und Provenienz offenbleiben. Fred Rosterg teilte 2016 dann mit, dass das Fahrzeug laut Erzählungen seines 1990 verstorbenen Vaters während des Zweiten Weltkriegs auf dem Landgut der Familie in Dahlhausen gestanden haben soll und dann von den französischen Alliierten – oder in einer anderen Version von französischen Zwangsarbeitern – abtransportiert worden wäre. Da alle Quellen, die in diese Richtung deuten auf Hörensagen basieren und widersprüchlich sind, blieb diese Version bis heute ohne belastbare Nachweise. Die Kuratoren des Deutschen Museums sehen deshalb nach wie vor, die Recherchen aus den 1970er Jahren als maßgeblich an. Der BMW 328 Wendler wird aber weiterhin Gegenstand auch der Provenienzforschung bleiben.

Literatur und Tipps zum Weiterlesen

  • Bröhl, Hanspeter: Paul Jaray, Stromlinienpionier: von der Kastenform zur Stromlinienform. Bern 1978.
  • Danz, Annemie: Das BMW 328 Wendler Stromliniencoupe aus dem Deutschen Museum München: Provenienz - Analysen - Konzepte. München 2016.
  • Eckermann, Erik: Automobile. Technikgeschichte im Deutschen Museum. München u.a. 1989.
  • Grieger, Manfred; Karlsch, Rainer; Köhler, Ingo: Expansion um jeden Preis: Studien zur Wintershall AG zwischen Krise und Krieg, 1929-1945. Frankfurt a. M. 2020.
  • Kieselbach, Ralf J. F.: Karosserien nach Mass. Erhard Wendler 1923 bis 1963. Stuttgart 2001.
  • Kieselbach, Ralf J. F.: BMW Raritäten. Autos, die nie in Serie gingen. München 2007.
  • Kieselbach, Rolf J. F.: Stromlinienautos in Deutschland. Aerodynamik im PKW-Bau 1900 bis 1945. Stuttgart 1982.
  • Kühschelm, Oliver: Kraftfahrzeuge als Gegenstand von "Arisierungen". Provenienzforschung zur Kraftfahrzeugsammlung des Deutschen Museums und Forschungen zur Enteignung von Kraftfahrzeugen in Bayern. München 2012.
  • Pamplona, Marisa; Grosse, Christian U.: Non-destructive Testing Techniques Applied to Valuables of our Technical Cultural Heritage. DACH-Jahrestagung 2019. (https://www.ndt.net/article/dgzfp2019/papers/Mo.3.C.2.pdf)
  • Schrader, Halwart: Automobil-Spezialkarosserien. Sonderausführungen deutscher Personenwagen 1906-1986. München 1985.
  • Simons, Rainer: BMW 328. Vom Roadster zum Mythos. München 1996.
  • Wiedemann, Wolfgang; Wagner, Andreas; Wunderlich, Thomas: Zerstörungsfreie Untersuchung eines BMW 328 Wendler-Stromliniencoupés. GeoNews, No 3 2017, S. 6-7.

Autor/in

Bettina Gundler

Bettina Gundler leitet die Hauptabteilung Verkehr, Mobilität, Transport und ist die Leiterin des Deutschen Museum Verkehrszentrum. In diesem Zweigmuseum auf der Theresienhöhe in München erfährt man alles rund um das Thema Mobilität - und die Fortbewegung auf Reifen, Rollen, Rädern und Kufen.
Ihr Tipp für einen Besuch: Den Audioguide an der Kasse des Verkehrszentrums ausleihen und damit die Highlights in allen Hallen entdecken.

Lukas Breitwieser

Lukas Breitwieser ist Kurator für Land- und Straßenverkehr. Der Technikhistoriker begeistert sich für alles rund um das Thema Mobilität.
Sein Tipp für einen Besuch im Deutschen Museum: Im Verkehrszentrum in Halle I zum Thema Stadtverkehr finden Sie alles, was uns bewegt. Ob Pferdetaxi oder computergesteuerter Bus - hier vermitteln zahlreiche einzigartige Exponate die Geschichte der Mobilität in der Stadt.

Das könnte Sie auch interessieren