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Eine Geschichte über die Suche nach NS-Raubkunst, falsche Prinzessinnen und einen Gemäldediebstahl aus dem Depot des Deutschen Museums

Es war einmal ein Maler namens Stuck, der malte im Jahr 1891 ein Bild vom Märchen vom Froschkönig. Weil der Maler berühmt war, wurde das Gemälde schon bald in den Büchern eines Herrn mit dem lustigen Namen Bierbaum abgedruckt. Da heißt das Bild „Es war einmal“. Wem es damals gehört hat, wird in den Büchern nicht verraten.

Die wunderliche Kunstsammlung des Herrn Bühler

Irgendwann – vielleicht noch vor, vielleicht erst nach dem Zweiten Weltkrieg, man weiß es nicht genau – wurde das Bild von einem Pforzheimer Fabrikbesitzer erworben. Der hieß Bühler und hatte eine etwas wunderliche Kunstsammlung, aber keine Nachkommen: Der einzige Sohn kam nicht mehr aus dem Krieg zurück, eine Adoptivtochter blieb kinderlos. Deshalb – vielleicht aber auch aus einem anderen Grund, man weiß es nicht genau – bestimmte er, dass die Sammlung nach seinem Tod das Deutsche Museum bekommen sollte.

Als Bühler und seine Tochter schließlich gestorben waren, suchte sich das Deutsche Museum die schönsten Sachen aus, zeigte sie ein paar Wochen im Ehrensaal und stellte sie dann ins Depot. Ein technisches Museum kann schließlich keine Kunst und schon gar nicht hübsche Märchenbilder zeigen! Da war das Bild von Stuck schon über hundert Jahre alt.

Die Suche nach NS-Raubkunst

Zwei Dutzend Jahre später wollte der Autor dieses Beitrags wissen, ob es unter den vielen schönen Exponaten des Deutschen Museums vielleicht auch unentdecktes Nazi-Raubgut gab. Warum sollte das hier anders sein als in den Sammlungen anderer Museen, sagte er sich und begann zu recherchieren. Eines Tages fand er dabei heraus, dass der Fabrikbesitzer Bühler in der NS-Zeit das Grundstück der enteigneten jüdischen Gemeinde Pforzheim übernommen hatte. Da fragte er sich, aus welchen Quellen Bühler eigentlich seine Kunstsammlung erworben hatte. Da dazu niemand etwas Genaues wusste, beschloss er, sich die Gemälde aus dem Bühler-Nachlass einmal genauer anzusehen. – Nichts leichter als das, dachte er sich. Wer eine Datenbank mit guten Fotos hat, muss dazu nicht mal sein Büro verlassen.

Die verräterische Rückseite

Tatsächlich entdeckte er auf einem Rückseitenfoto des Froschkönigs schon bald den Stempel eines Vorbesitzers. Doch leider ließ sich auf dem Foto die Schrift des Stempels nicht entziffern. Also bat er darum, ihm das Gemälde aus dem Depot zu bringen. Und nun wurde die Sache rätselhaft: Vorn der Froschkönig, ohne Zweifel.  Doch auf der Rückseite vom Stempel keine Spur. Die Farbe des Holzes hatte sich wundersamerweise von Dunkelbraun zu Hellocker geändert. Und die Struktur der Platte sah irgendwie nach Fichtenleimholz aus dem Baumarkt aus. – Ein Schelm, wer Böses dabei denkt...

Zwei ungleiche Prinzessinnen

Tatsächlich war auch die Prinzessin auf der Vorderseite falsch. Bei aller Ähnlichkeit sah sie an manchen Stellen doch etwas anders anders aus als auf den Fotos des von Franz Stuck gemalten Bilds. Wer genau hinsieht, kann noch mehr verräterische Unterschiede finden. – Aber welche der beiden Prinzessinnen ist nun eigentlich die echte?

Die rechte natürlich. Und die war nicht mehr da. Offensichtlich hatte irgendjemand das originale Gemälde gegen eine Fälschung ausgetauscht. Echt war nur noch der Rahmen und das an diesem hängende Etikett.

Versteigerung mit falscher Provenienz

Was mit dem Original passiert ist, war schnell herausgefunden. Bereits die erste Google-Suche lieferte einen Volltreffer beim Münchner Auktionshaus Ketterer: Dort war der Froschkönig 2017 unter dem Titel „Es war einmal“ für 70.000 € versteigert worden. Die Provenienz angeblich eine „Privatsammlung“ aus „Süddeutschland“. Soviel zum Thema Märchen.

Wie sich herausstellte, waren hier auch noch zwei weitere Gemälde aus dem Bühler-Nachlass, die im Depot des Deutschen Museums fehlten, 2017/2018 unter den Hammer gekommen: „Zwei Mädchen beim Holzsammeln“ von Franz von Defregger und eine „Weinprüfung“ von Eduard Grützner. Auch diese angeblich aus süddeutschem Privatbesitz...

Der Bilderdieb und seine Strafe

Den Rest der Geschichte ermittelte die Münchner Kripo: Die Spur führte zu einem früheren Mitarbeiter des Deutschen Museums, der in der Transportabteilung tätig war. Er hatte sogar noch ein viertes Gemälde aus dem Bühler-Nachlass gestohlen – ein Mädchenportrait von Defregger –, das er allerdings nicht mehr verkaufen konnte. Das Motiv, wie meistens, Geld. Die Strafe: 1 Jahr und 9 Monate auf Bewährung.

Ende gut, alles gut?

Das Mädchenportrait von Defregger ist mittlerweile wieder im Deutschen Museum. Weniger gut sieht es bei den anderen drei gestohlenen Gemälden aus. Das liegt an einer Ausnahmeregelung des deutschen Rechts: Die grundsätzliche Regel, dass Diebesgut nicht gutgläubig erworben werden kann – die Sachen gehören auch nach einem Verkauf noch dem Bestohlenen und können zurückgefordert werden –, greift nicht, wenn die gestohlenen Sachen auf einer öffentlichen Versteigerung veräußert werden (BGB § 935 Abs. 2). Man darf sich fragen, wem das nützt.

Und die Moral von der Geschichte

Einen hundertprozentigen Schutz vor Dieben gibt es nicht. Im Fall des Falles hilft es aber, wenn man ordentliche Fotos von allen Objekten seiner Sammlung hat (Rückseiten nicht vergessen!). Noch besser ist es, wenn man die Fotos zusammen mit den Daten der Objekte online stellt: Was im Netz steht und somit bei einer Recherche schnell gefunden werden kann, ist nämlich kaum noch zu verkaufen. Wäre die Bühler-Sammlung 2017 schon komplett im Deutschen Museum Digital zu sehen gewesen, wäre diese Geschichte vielleicht nie passiert.

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Autor/in

Bernhard Wörrle

Bernhard Wörrle ist promovierter Ethnologe und leitet seit 2013 das digitale Sammlungsmanagementsystem des Deutschen Museums. Sein aktueller Forschungsschwerpunkt ist koloniales Sammlungsgut.

Sein Tipp für einen Besuch im Deutschen Museum: Die Ausstellung Historische Luftfahrt auf der Museumsinsel. Sie zeigt und erklärt die tolle Technik, spart aber auch unbequeme Seiten wie die Zwangsarbeit in der Rüstungsproduktion des 'Dritten Reichs' oder den Einsatz der Ju 52 im französischen Algerienkrieg nicht aus. Lohnt sich!