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Das PENELOPE-Labor im Denkerhaus Schedlberg

Für einen Monat hat sich das Team des Projekts PENELOPE, beheimatet im Forschungsinstitut des Deutschen Museums, in den Bayerischen Wald zurückgezogen, um gemeinsam Arbeiten zu erledigen, die in der Hoch-Zeit der Pandemie nicht möglich waren.

Im Denkerhaus Schedlberg fanden wir ideale Arbeitsbedingungen: einen Konferenzraum für gemeinsames Arbeiten, in dem wir unseren großen Gewichtswebstuhl und einen Schaftwebstuhl aufbauen konnten; die große Stube in der unsere Mustersimulationen aufgebaut wurden; und eine große Terrasse für unseren kleinen Roboterschwarm. Das alte Waidlerhaus integriert alten, denkmalgeschützten Baubestand und moderne Architektur aus stützenden Betonpixelbalken und spiegelt damit das Forschungsdesign unseres Projekts wieder: die Integration von antiker Weberei als binärer Technik und moderner digitaler Technologie.

Komplizierte Musterungstechniken auf dem Gewichtswebstuhl?

In der Antike wurde für das Weben ein Gewichtswebstuhl benutzt: ein aufrechtstehender Rahmen, an dem oben die senkrechten Kettfäden befestigt sind, die man unten mit Gewichten beschwert und dadurch unter Spannung setzt. Das Deutsche Museum besitzt im Depot ein verkleinertes Modell eines Gewichtswebstuhls auf dem sich ein einfaches, nicht gemustertes Gewebe befindet (Inv. Nr. 71355). Der Webstuhl kann aber auch komplexe Muster erzeugen, wie ein Darstellung aus dem 9. Jahrhundert v. Chr. belegt. Man nimmt an, dass für solche Muster ein Zugwebstuhl verwendet wurde, der Vorläufer des Jacquardwebstuhls, der die Auswahl der Musterfäden durch Lochkarten steuert, weshalb er als Vorläufer des Universalrechners gilt wie er von Charles Babbage und Ada Lovelace um 1840 entwickelt entworfen wurde.

Vom horizontalen zum vertikalen Webstuhl: Übertragen und Umdenken

Im Denkerhaus Schedlberg haben wir getestet, ob eine solche komplexe Technik mit dem scheinbar primitiven Webstuhl möglich ist. Dazu wurde die Technik von Tonny A Campo zunächst auf einem Schaftwebstuhl erprobt.Von den acht Schäften, die ihr auf dem Webstuhl zur Verfügung stehen, wurden dazu lediglich drei benutzt. Die Muster wurden für jede Schusszeile von Hand ausgehoben. Da der Gewichtswebstuhl aufgrund seiner leichten Neigung ein sogenanntes natürliches Fach besitzt, das immer offen ist, benötigt man also neben dem Litzenstab für das Gegenfach nur einen weiteren (Litzenstäbe entsprechen den Schäften eines horizontalen Webstuhls und trennen die Fäden um das Webschiff mit dem Schussfaden durchzulassen).

Das Umdenken vom horizontalen auf den vertikalen Webstuhl, der keine durchlaufende Kette hat, erforderte noch einige zusätzliche Anpassungen. Doch die Mühe hat sich gelohnt: tatsächlich ist es nicht nur möglich, diese komplexe Technik auf dem Gewichtswebstuhl auszuführen, es ist sogar einfacher als auf dem Schaftwebstuhl mit endloser Kette, da die Kettfäden am aufrechten Webstuhl stets die gleiche Fadenspannung haben und nicht nachjustiert werden müssen.

Experiment geglückt

Der Webstuhl wurde inzwischen wieder im Museum für Abgüsse Klassischer Bildwerke aufgebaut, wo diese Arbeit weitergeht und von Besuchern beobachtet werden kann. Im Laufe des Jahres soll dann eine Rekonstruktion der Muster vom zyprischen Teller entstehen. Auf dem Schaftwebstuhl kann man schon sehen, wie das aussehen wird.

Die Roboter im PENELOPE Projekt

Wir sind bei unseren Recherchen in antiken Texten auch auf eine Art von sozialem Weben gestoßen. Nicht nur in der griechischen Antike, sondern tatsächlich in fast allen Kulturen der Welt kennt man das tanzende Bandflechten um einen Pfosten – den Maibaum. Nach diesem Prinzip arbeiten auch heute noch alle Schnurflechtmaschinen. Dieses Konzept veranschaulichen wir mit Hilfe von kleinen textilen Robotern.

Ausgehend von einem Zitat aus antiken Texten, zum Beispiel der Beschreibung tanzender Paare auf dem Schild des Achilles in der Ilias von Homer, wird eine elektronische Musik codiert und ein Schwarm von Robotern live um einen solchen Maibaum gesteuert.

Das System läuft über eine eigens entwickelte Codierungssoftware namens Yarn. Die Roboter werden über einen Raspberry PI kontrolliert. den Zeiten der Pandemie wurden einige solcher Aufführungen unter Beteiligung von Schülern durchgeführt. Im Denkerhaus Schedlberg haben wir die Roboter getestet und notwendige Reparaturen vorgenommen.

Video der Roboter auf der Terrasse des Denkerhauses am Schedlberg

Neben solchen praktischen Experimenten haben wir auch Publikationen vorbereitet und Forschungsanträge geschrieben. Es war eine rundum produktive Zeit im Bayerischen Wald.

Das Projekt PENELOPE ist am Forschungsinstitut des Deutschen Museums angesiedelt und untersucht seit Dezember 2016 die Weberei als binäre Kultur. Gefördert wird das Projekt durch einen Consolidator-Grant im HORIZON 2020 Forschungsrahmenprogramm der Europäischen Union (Nr. 682711).

Autor/in

Ellen Harlizius-Klück

Ellen Harlizius-Klück hat das Projekt „PENELOPE. A Study of Weaving as Technical Mode of Existence“ beantragt und leitet es als Principal Investigator seit Dezember 2016.

Mein Tipp für einen Besuch im Deutschen Museum: Da die Textilabteilung derzeit geschlossen ist, gehe ich in die Schifffahrtsabteilung wenn ich Besuchern die Bedeutung von textilen Techniken für die Technikentwicklung verdeutlichen will. Weder die Anfänge der Seeschifffahrt noch die der Luftschifffahrt sind ohne Textilien denkbar.