Tachometer als stumme Zeugen
Bis etwa 1900 mussten Autofahrende die Beobachtungen und Schätzungen von Beamten und Zeugen noch widerlegen, falls sie sie anstritten. Und auch wenn Tachometer zunächst ungenau waren und Fahrtenschreiber vor Gericht oft nicht als Beweismittel zugelassen wurden, etablierten sich diese technischen Hilfsmittel langsam als Ausstattung der Fahrzeuge. Bis in die 1920er Jahre waren sie allerdings nicht weit verbreitet.
Tachometer eröffneten den Fahrern die Möglichkeit, ein Gefühl für die eigene Geschwindigkeit zu erlangen. Und sie wurden mit der Zeit als Mittel eingesetzt, um gegen unbegründete Vorwürfe vorzugehen. Bezeichnungen der Tachometer verdeutlichen dies: Ein Geschwindigkeitsmesser mit Fahrtenschreiber trug den Namen “Protektor”, ein anderer die Bezeichnung “The Silent Witness” - der stumme Zeuge.
In den 1920er Jahren ebten die Konflikte um das Tempo etwas ab, weil das Neue und Schnelle an Boden gewann und sich normalisierte. Motorfahrzeuge, vor allem Zweiräder, verbreiteten sich zunehmend und begannen das System Straßenverkehr zu dominieren. Das Tempo des Kraftverkehrs wurde zum neuen Standard, die Geschwindigkeitsbeschränkungen wurden an die geschaffenen Realitäten angepasst. Der Verkehrsraum wurde mehr und mehr zur eindimensionalen Nutzung durch Kraftfahrzeuge umgebaut.
Das innerörtliche Geschwindigkeitslimit wurde sukzessive hochgesetzt. 1923 lag es bei 30 km/h. Eine radikale Zäsur erfolgte mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten. Das Automobil sollte auch durch den Abbau der Verkehrsüberwachung gefördert werden. Eine Begrenzung der Geschwindigkeit wurde abgeschafft. Diese “freie Fahrt” galt jedoch nur bis 1938. Steigende Unfallzahlen und das Einsparen von Kraftstoffressourcen im Zuge der Aufrüstung waren hierbei ursächlich. Die zunächst geltenden 60 km/h innerorts bedeuteten dennoch eine Verdopplung im Vergleich zur Weimarer Zeit.