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"... und wenn etwas in Bayern im Stande ist, das Volk aufzuregen, selbst Revolutionen herbeizuführen, wie es sich schon tatsächlich zeigte, so ist es der Gehalt oder der festgesetzte Preis des Bieres.“ – Bavaria, 1860.  Steigende Bierpreise sind ein gern und hitzig diskutiertes Thema - nicht nur im Vorfeld des Oktoberfests. Aber bekommt man wirklich gehaltvolles, redlich gebrautes Bier fürs Geld? Ein Instrument aus der Gründungssammlung des Deutschen Museums ist die sogenannte Bierprobe.
 
Als sich in den 1840er Jahren aufgrund von Missernten die Getreidepreise und damit auch die Bierpreise erhöhten, entlud sich in München der Unmut der Bevölkerung in gewaltsamen Aufständen, den sogenannten Bierkrawallen. Die bayerische Regierung sah sich zum Handeln gezwungen und beauftragte gezielt Akademiker damit, eine Methode zur Gehaltsbestimmung von Bier zu entwickeln.
Zu dieser Zeit war der Physiker und Unternehmer Carl August von Steinheil Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und Konservator ihrer mathematisch-physikalischen Sammlung. Im Jahr 1841 stellte er einen optischen Gehaltsmesser für Flüssigkeiten, die sogenannte Bierprobe, vor.

Das Instrument war so konstruiert, dass man mit einem Beobachtungsmikroskop mit integriertem Fadenkreuz durch einen Flüssigkeitstank auf einen etwa 2 Meter entfernten Gegenstand blickte. Der Flüssigkeitstank war durch eine Trennscheibe in zwei gleich große Hälften geteilt (siehe Abbildung 2), deren lichtbrechende Wirkungen sich bei Füllung mit Wasser gerade gegeneinander aufhoben. Das Instrument wurde so positioniert, dass der beobachtete Gegenstand in der Mitte des Fadenkreuzes erschien. Wurde dann in eine der Hälften anstelle von Wasser das zu prüfende Bier eingefüllt, so wurde das Licht in Abhängigkeit vom Gehalt des Bieres mehr oder weniger stark gebrochen, und der Gegenstand erschien verschoben. Um das Fadenkreuz und den Gegenstand wieder in Deckung zu bringen, wurde der Winkel des Flüssigkeitstanks mittels einer Stellschraube verstellt. Die Position dieser Schraube war ein direktes Maß für den Brechungsindex des untersuchten Bieres.

Bis 1843 optimierte Steinheil das Instrument so weit, dass in Kombination mit einem bereits bekannten Aräometer, einer Senkspindel zur Messung der Dichte der Gehalt an Alkohol und Malzzucker oder der Stammwürzegehalt eines Bieres mit Hilfe von Kurventafeln bestimmt werden konnte. Steinheil war bestrebt seine Erkenntnisse der Allgemeinheit zugänglich zu machen und schrieb:

„Ich übergebe daher dieses neue Prüfmittel der Öffentlichkeit in der Hoffnung, dass es dazu dienen werde, bisher nicht leicht nachweisbaren Missbräuchen entgegen zu treten und dem Publikum den Bayerischen Nationaltrunk für volles Geld auch nach vollem Schrot und Korn zu liefern.“
Carl August von Steinheil

Vom Brauhandwerk zur Wissenschaft

Steinheils Hoffnung sollte nicht in Erfüllung gehen. Der optische Gehaltsmesser stellte zwar die erste funktionierende physikalische Methode dar, um die chemische Zusammensetzung von Flüssigkeiten zu analysieren und fand großen Anklang in Regierungskreisen. Neben der Kritik von Fachkollegen, die zum Teil eigene Methoden vorgestellt hatten, erfuhr Steinheil jedoch vor allem Ablehnung von den Münchener Brauern - deren Biere er zuvor öffentlich als ‚nicht tarifmäßig‘ getestet hatte. Diese wehrten sich vehement und mit Erfolg  gegen eine Einführung des Gehaltsmessers als amtliche Bieruntersuchungsmethode.

In den folgenden Jahrzehnten führte die intensive Beschäftigung mit der Gehaltsbestimmung des Bieres zu einer umfangreichen wissenschaftlichen Erforschung des Gärprozesses. Damit wurde die Basis geschaffen, um in Bayern vom traditionellen Brauhandwerk zur industriellen Bierproduktion zu gelangen. 

Steinheils Messmethode wurde - trotz der Startschwierigkeiten - im Laufe der Zeit ausgebaut, um verschiedenste Materialien analysieren zu können: Heute ist sie unter dem Namen Refraktometrie bekannt und wird zur Untersuchung von Bier, Milch und Most verwendet, aber auch zur Echtheitsprüfung von transparenten Edelsteinen.

Das Original im Deutschen Museum

Das Deutsche Museum erhielt kurz nach seiner Gründung drei Steinheil-Refraktometer, die 1905 gemeinsam mit der mathematisch-physikalischen Sammlung von der Bayerischen Akademie der Wissenschaften an das Deutsche Museum gestiftet wurden. Wie viele andere Exponate aus der Gründungssammlung verdeutlichen sie die Nähe der Wissenschaft des 18. und 19. Jahrhunderts zu den praktischen Problemen ihrer Zeit. So schrieb schon Steinheil in einem Tagebucheintrag: „Steril ist die Wissenschaft, die nur Wissen schafft. Doch sie wird zur Schöpferkraft, wenn sie durch Wissen schafft.“

Autor/in

Daniela Schneevoigt

Daniela Schneevoigt ist Kuratorin für Physik, Geophysik, Geodäsie, Maße und Gewichte. Der Blogbeitrag ist eine gekürzte Fassung, die die Autorin für das Buch "Erste Wahl. Erlesene Objekte aus dem Deutschen Museum" verfasst hat, das voraussichtlich 2018 erscheint. Es stellt ausgewählte Meisterwerke, Prototypen, und Massenware aus der Sammlung des Deutschen Museums vor.