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Die HFB 320 Hansa Jet, ein Geschäftsreiseflugzeug mit zwei Düsentriebwerken, ging als erster deutscher Passagierjet in Serie. Aerodynamische Erkenntnisse des Junkers-Flugzeugbaus aus der Zeit vor 1945 flossen durch die Beteiligung ehemaliger Junkers-Mitarbeiter aus Ost- und Westdeutschland in die auffällige Konzeption mit pfeilförmig nach vorn gerichteten Tragflächen ein. Auf der Museumsinsel steht der zweite Prototyp im Mittelpunkt der "Modernen Luftfahrt".

Lizenzbauten ausländischer Konstruktionen wie die amerikanische Lockheed F-104 oder der französische Kampfzonentransporter Nord Noratlas ermöglichten dem bundesdeutschen Flugzeugbau den Anschluss an internationales Niveau im Militärflugzeugbau. Der Hansa Jet sollte auch den zivilen Markt erschließen. Dem mit erheblichen staatlichen Mitteln geförderten zivilen Flugzeugbau in der DDR wurde dagegen zur gleichen Zeit die Existenzgrundlage entzogen – dies vor allem aufgrund fehlenden Rückhalts des sowjetischen “Bruders” und dessen Dominanz beim Flugzeugbau unter planwirtschaftlichen Bedingungen. Zahlreiche im Flugzeugbau Beschäftigte mussten desillusioniert in andere Bereiche des ostdeutschen Maschinenbaus wechseln, während andere teilweise noch vor dem Mauerbau nach Westdeutschland flohen, um dort adäquate Beschäftigung zu finden.

Der Hansa-Jet als Grundstein für die Entwicklung des europäischen Flugzeugbaus

Der Hamburger Flugzeugbau (HFB) bewarb sich mit dem Entwurf für ein 80sitziges, zweistrahliges Kurz- und Mittelstreckenflugzeug um Fördermittel des Bundes. Der Antrag wurde jedoch aufgrund der Konkurrenz zur Sud Aviation Caravelle aus Frankreich nicht unterstützt. Ein zweiter Vorschlag fand 1961 dann die erforderliche Beachtung und wurde gefördert. Er sah ein viel kleineres zweistrahliges Geschäfts- und Reiseflugzeug vor, an dessen Bau verschiedene internationale Unternehmen beteiligt wurden – ein weiterer wichtiger Schritt in die europäische Integration des Flugzeugbaus und eine wichtige Vorstufe zum heutigen Weltmarktführer Airbus.

Wichtigste Merkmale des Hansa Jet getauften Entwurfs waren die beiden vergleichsweise sparsamen Triebwerke von General Electric am Heck sowie der auffällig um 15 Grad pfeilförmig nach vorn gerichtete Trapezflügel. Diese Auslegung ermöglichte die Verbindung der beiden Tragflächen im hinteren Teil des Rumpfes, wodurch eine konstante Kabinenhöhe gewährleistet werden konnte. Gleichzeitig wurde damit geworben, dass auf diese Weise den bis zu zwölf Passagieren ungestörter Blick nach unten gewährt würde. Daraus resultierten jedoch Herausforderungen für die Konstruktion: Die erforderliche Schwerpunktlage und Verwindungssteifigkeit konnte durch die Vorwärtspfeilung, spezielle Verstärkungen im äußeren Tragflügelaufbau und die markanten Außentanks an den Flügelenden gewährleistet werden.

Der erste Prototyp des Hans Jets startete am 21. April 1964, vor mittlerweile 60 Jahren, zu seinem erfolgreichen Erstflug. Im Rahmen der Flugerprobung geriet er leider bereits ein gutes Jahr später, im Mai 1965, ins Flachtrudeln*, und stürzte ab, wobei Testpilot Loren Davis das Leben verlor; zwei weiteren Besatzungsmitgliedern gelang die Rettung mit dem Fallschirm.

Leider war dem Hansa Jet aufgrund der starken US-amerikanischen und französischen Konkurrenz kein großer Erfolg beschieden; letztlich entstanden nur 47 Exemplare, darunter allein 16 für die Bundeswehr. Das Programm bildete jedoch die Grundlage für eine ganze Generation von Fachleuten und Mitarbeitenden für das erfolgreiche Airbus-Programm.

In der Ausstellung “Moderne Luftfahrt” auf der Museumsinsel steht heute der zweite Prototyp ds Hansa Jets,  HFB 320V2, mit dem Kennzeichen D-CLOU als eines von derzeit sechs Museumsflugzeugen dieses Typs in Deutschland. Ein Modell des Flugzeugs findet sich auch in der Ausstellung: Ein Modell der Simulation einer Belastungserprobung hat die Hansa Jet im Maßstab 1:10 im Zentrum.

* Das Flachtrudeln ist ein Flugzustand, bei dem sich das Flugobjekt nach einem einseitigen Strömungsabriss an einer Tragfläche in einer steilen Spirale oder auch Schraubenlinie um die vertikale Achse Richtung Boden bewegt.

Die HFB-320 auf der Museuminsel

... und auf "Deutsches Museum Digital"

Autor/in

Dr. Robert Kluge

Robert Kluge

Dr. Robert Kluge ist Kurator für Moderne Luftfahrt am Deutschen Museum und seit 40 Jahren passionierter Pilot. Nach dem Studium der Slawistik, Politikwissenschaft und Volkswirtschaftslehre, seiner Dissertation „Der sowjetische Traum vom Fliegen“ (1997) und langen Jahren als Luftfahrtjournalist und einer Berufspilotenausbildung fand er 2015 zum Traumberuf.

Sein Tipp – ein Fachgespräch mit den engagierten Kollegen vom Ausstellungsdienst in Oberschleißheim oder in der Neuen Luft-und Raumfahrthalle auf der Museumsinsel.

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