Menschen gehen in die Lüfte
Hier abgebildet sehen wir Wilhelmine Reichard (1788–1848) bei ihrer siebzehnten Ballonfahrt im Jahr 1820 über der Theresienwiese in München, zum zehnten Jubiläum des Oktoberfests. Die Litographie gehört der grafischen Sammlung des Archivs.
Mit der Erfindung des Heißluftballons begann das Zeitlalter der Luftfahrt. Im Juni 1783 hatten die Brüder Michel Joseph und Étienne Jacques de Montgolfier dem staunenden Publikum einen unbemannten Heißluftballon vorgeführt. Beim zweiten Aufstieg dann schickte man ein Schaf, einen Hahn und eine Ente in die Lüfte. Als alle Tiere überlebten, hob ein paar Monate später der erste mit Menschen besetzte Heißluftballon in Paris ab.
Die erste deutsche Frau im Ballon
Begonnen hatte Wilhelmine Reichards Karriere im April 1811, als sie zum ersten Mal alleine in einem Ballon abhob – als erste Frau in Deutschland. Die Begeisterung für die Luftschifffahrt teilte sie mit ihrem Ehemann, dem Chemiker Gottfried Reichard (1786–1844). Die beiden Luftfahrt Enthusiasten hatten gemeinsam einen mit Wasserstoff gefüllten Ballon konstruiert. Riskante Ballonfahrten übten für das Publikum einen noch größeren Reiz aus, wenn sie von einer Frau unternommen wurden. Durch eine geschickte Öffentlichkeitsarbeit kam Madame Reichard sehr schnell zu einiger Berühmtheit – und auch zu Einkünften. Diese plante das Ehepaar Reichard in den Aufbau einer chemischen Fabrik einzubringen.
Wilhelmine Reichard gilt auch als Pionierin der wissenschaftlichen Luftfahrt. Überliefert sind ihre exakten Beobachtungen und Messungen, die sie während ihrer Ballonfahrten aufzeichnete.
Der Flug über München 1820 war der fulminante Abschluss von Wilhelmine Reichards Abschiedstournee. Drei Monate vorher war sie mit ihrem Ballon in Gegenwart des österreichischen Kaisers in Prag aufgestiegen worüber die Zeitungen ausführlich berichtet hatten, ebenso wie über ihre Fahrten in Wien im Juli und August 1820.