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"Rakete mit Flügeln", aber auch "Erdnagel", "fliegender Sarg", "Witwenmacher" oder "Sargfighter": Dieses Kampflugzeug, das während seiner Dienstzeit aus verschiedenen Gründen bewundert und gefürchtet wurde, trug viele Beinamen. Politische Affären, die "Starfighter-Affäre" oder der internationaler "Lockheed-Skandal", stehen mit dem Flugzeug in Verbindung. Vor 70 Jahren hatte es seinen Erstflug. Zwei Exemplare sind heute im Deutschen Museum ausgestellt.

Anfang der 1950er-Jahre und unter dem Eindruck des Koreakriegs entstand unter der Leitung des legendären Konstrukteurs Clarence L. “Kelly” Johnson die Lockheed F-104 Starfighter. Sie war zu Beginn als reines Abfangjagdflugzeug mit weitreichenden Luft-Luft-Raketen konzipiert, also Lenkflugkörpern, die in der Luft abgefeuert werden, um Ziele in der Luft zu treffen. Als solches war der Starfighter für hohe Geschwindigkeit und Steigleistung optimiert, das ging auf Kosten ihrer Manövrierfähigkeit. 

So entstand ab März 1953 innerhalb von nur gut einem Jahr ein radikaler Entwurf mit extrem dünnem Flügel mit gerade einmal 6,60 m Spannweite. Am 4. März 1954, vor nunmehr 70 Jahren, hatte die F-104 ihren Erstflug. Sie war das erste Einsatzflugzeug der US-Luftwaffe, das mehr als zweifache Schallgeschwindigkeit erreichte und hielt als erstes Flugzeug überhaupt gleichzeitig die Rekorde für Höchstgeschwindigkeit (Mach 2,2, ca. 2.260 km/h), maximale Flughöhe (31.513 m) sowie maximale Steigrate (244 m/s). Lediglich 296 der insgesamt 2 578 gebauten “Sternenkämpfer” entstanden, in mehreren Versionen, für die amerikanische Luftwaffe und standen bis Ende der 1960er-Jahre dort im Dienst.

Standard-Kampflugzeug der NATO in Europa

Bekannt wurde die F-104 aber vor allem in der Version “G” als Standardkampfflugzeug der bundesdeutschen Luftstreitkräfte. Die Bundesregierung wählte die F-104G 1959 als Nachfolger für die damals bereits veralteten Unterschall-Kampfflugzeuge F-84, F-86 und Sea Hawk. Mehrere NATO-Staaten schlossen sich an. Die F-104G wurde zum Standard-Kampflugzeug der NATO in Europa und Deutschland. Im Rahmen der nuklearen Teilhabe wurde sie auch als potentieller Kernwaffenträger eingesetzt. Ihre Aufgaben als tieffliegender Jagdbomber, Abfangjäger und Aufklärer unter schlechten Witterungsverhältnissen erforderten umfangreiche Änderungen der elektronischen Ausrüstung und Verstärkungen der Struktur. Lizenzbaurechte für die F-104G förderten den Wiederaufbau der bundesdeutschen Luftfahrtindustrie und trugen wesentlich zur europäischen Integration in diesem Bereich bei. Vier Arbeitsgemeinschaften, gebildet von Luftfahrtfirmen der an der Beschaffung beteiligten Nationen, lieferten mehr als tausend F-104G. Aus der Fertigung in Europa und bei Lockheed erhielt die Bundeswehr rund 916 Flugzeuge verschiedener Baureihen.

Zahlreiche Flugunfälle überschatten des Einsatz des Starfighters

Der Einsatz der F-104G wurde durch zahlreiche Flugunfälle überschattet: Mitte der 1960er-Jahre, während der sogenannten “Starfighter-Krise”, gingen 44 Flugzeuge innerhalb von anderthalb Jahren verloren. Insgesamt stürzten bis zur Außerdienststellung 1991 269 Maschinen der Luftwaffe ab, dabei fanden 116 Piloten den Tod. Eine einzelne typische Ursache war nicht festzustellen. Die Unfallhäufigkeit nahm ab, als neben anderen Maßnahmen vor allem Wartung und Pilotenausbildung verbessert wurden; zudem erhöhten neue Schleudersitze die Sicherheit. Am Ende überstieg die Unfallhäufigkeit diejenige vergleichbarer Kampflugzeugtypen nicht.

Aufgrund des extrem dünnen Flügels mussten Fahrwerk und Treibstoff im Rumpf für Fahrwerk und Treibstoff untergebracht werden. Zudem erforderte die F-104 eine sehr hohe Landegeschwindigkeit, zu deren Verringerung Vorflügel und Landeklappen sowie ein ausgeklügeltes Ausblassystem zur Verbesserung der Tragflächenumströmung zum Einsatz kamen.

Das Exemplar auf der Museumsinsel, zu sehen am Anfang dieses Artikels, ist ein früher Doppelsitzer F-104F und zeigt in seiner dynamischen Position eindrucksvoll alle Details der Konstruktion. Zugleich wird der Ausschuss eines Piloten mit dem Schleudersitz dargestellt und so bereits auf die zahlreichen erwähnten Problemfelder des Waffensystems verwiesen.

Die einsitzige F-104G des Deutschen Museums wird seit 2015 in der Flugwerft Schleißheim ausgestellt. Sie stammt aus einer Serie von 210 Flugzeugen, die zwischen 1960 und 1965 von der “ARGE Süd” (Messerschmitt, Dornier, Heinkel und SIAT) gebaut wurden. Das Flugzeug stand beim Jagdbombergeschwader Jabo G 33 in Büchel bei Cochem/Mosel unter der Kennung 21+53 im Einsatz. Es wurde 1977 außer Dienst gestellt und kam 1984 ins Deutsche Museum. 

Der Starfighter auf der Museumsinsel und in der Flugwerft

Starfighter - Augmented Reality Anwendung in der Deutsches Museum App

Der Starfighter nutzt zur Navigation die LN-3 Steuerungsplattform. Ihre Funktionsweise können Sie mit der Augmented Reality  Anwendung nachvollziehen. Laden Sie dazu die Deutsches Museum App auf Ihr Smartphone oder Tablet herunter oder klicken Sie auf den Link, wenn Sie die Anwendung bereits installiert haben. Sie können die Anwendung im Museum nutzen oder an einem anderen Ort - Sie benötigen lediglich einen flachen Untergrund. 

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Autor/in

Dr. Robert Kluge

Robert Kluge

Dr. Robert Kluge ist Kurator für Moderne Luftfahrt am Deutschen Museum und seit 40 Jahren passionierter Pilot. Nach dem Studium der Slawistik, Politikwissenschaft und Volkswirtschaftslehre, seiner Dissertation „Der sowjetische Traum vom Fliegen“ (1997) und langen Jahren als Luftfahrtjournalist und einer Berufspilotenausbildung fand er 2015 zum Traumberuf.

Sein Tipp – ein Fachgespräch mit den engagierten Kollegen vom Ausstellungsdienst in Oberschleißheim oder in der Neuen Luft-und Raumfahrthalle auf der Museumsinsel.

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