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Das Saallicht geht aus, es ist Nacht auf der Modellbahn. Alle Zuschauerinnen und Zuschauer werden ganz leise und warten gespannt. Da kommt auch schon der erste Nachtgüterzug aus dem Tunnel ... So beginnen die täglichen Vorführungen der Modellbahn. Ein ganzes Team arbeitet dafür, dass sie gelingen. Wer arbeitet daran und was steckt dahinter? Fünf Fragen an Frank Zwintzscher, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter für die Anlage verantwortlich ist.

Es gibt viele Modellbahnen, was ist das Besondere an der Anlage im Deutschen Museum auf der Museumsinsel?

Schon auf den ersten Blick unterscheidet sich die Modellbahn auf der Museumsinsel von den meisten Anlagen, denn sie ist größtenteils weiß. Dabei zeigt sie keine Winterlandschaft, sondern wurde entworfen, um Mobilität auf Schienen zu vermitteln. Damit der Blick auf die Mobilität fällt, wurde alles nicht Bewegliche in weiß und teilweise vereinfacht dargestellt, ähnlich einem Architekturmodell. So liegt die Aufmerksamkeit auf dem, was wir dem Publikum in den täglichen Vorführungen zeigen möchten: Einen Tagesablauf im Schienenverkehr, von nächtlichen Güterzügen über die Rushhour am Morgen und den ICE- und Regionalverkehr über Tag bis hin zu den abendlichen Nachtzügen. Die Vernetzung mit den Stadtverkehrsmitteln und dem Straßenverkehr – der sich übrigens auch bewegt – ist ebenso zu sehen, wie der Güterbahnhof mit Hafenanschluss. Alles ist so nah an der Wirklichkeit wie möglich dargestellt. Man könnte also sagen, die Anlagen ist eine Art Infrastruktursimulator, eingebettet in ein Architekturmodell.

Welches Team betreibt die Modellbahn?

Damit die Züge fahren und die Vorführungen reibungslos ablaufen, genügt es nicht, die Modellbahn morgens an und abends wieder auszuschalten. Ein Team aus unterschiedlichen Fachgebieten des Deutschen Museums arbeitet im Hintergrund stetig an der Anlage. Für den Betrieb und die Wartung ist das Team im Leitstand der Anlage zuständig. Sie steuern die Vorführungen vom digitalen Stellwerk am Computer aus und greifen blitzschnell ein, wenn etwas schiefläuft. Außerdem besorgen sie die Wartung und Reinigung der Modellbahn. Für Reparaturen und technische Eingriffe an der Anlage ist die Uhrmacherwerkstatt des Deutschen Museums zuständig. Zusammen bilden Leitstand und Uhrmacher das Kernteam der Modellbahn. In der vollständig computergesteuerten Anlage ist viel Digitaltechnik und Software im Einsatz, daher arbeiten inzwischen regelmäßig auch die IT-Abteilung und die Medientechnik des Hauses mit.

Welche sind die größten Stolperfallen und Herausforderungen für die Vorführung?

Die Herausforderung der Modellbahn verbirgt sich hinter den Kulissen. Das hat mit der hohen Komplexität der Anlage zu tun, oder anders gesagt: damit, dass in der Anlage alles mit allem zusammenhängt. Ein Blick in die Schattenbahnhöfe unter der Oberfläche verdeutlicht, was gemeint ist. Etwa zwei Drittel der insgesamt rund 750 Meter Gleislänge und unzählige Weichen verlaufen für das Publikum unsichtbar im Inneren. Das ist nötig, damit die Züge während der Vorführung im richtigen Moment an der richtigen Stelle aus dem Tunnel an die Oberfläche fahren können. Wenn einmal ein Zug, eine Weiche oder ein Digitalbaustein ausfällt, stauen sich dadurch meist auch die nachfolgenden Zugfahrten – wie bei der echten Bahn. So entsteht eine Kettenreaktion, die die ganze Vorführung zum Stillstand bringen kann. Deswegen müssen möglichst alle Rädchen im System funktionieren. Das sicherzustellen, ist eine unserer täglichen Aufgaben. Zum Beispiel durch die kontinuierliche Reinigung der Anlage. Das klingt banal, ist aber grundlegend für den Betrieb. Denn der Staub vom vielen Publikum fährt sich auf den Schienen fest, und dann bleiben die Miniaturzüge stehen – kein Stromkontakt mehr. Deswegen wird die Anlage nicht nur ständig durch automatische Reinigungszüge geputzt, sondern auch vom Team per Hand. 

Woran arbeitet das Team aktuell?

Von der Beseitigung technischer Kinderkrankheiten bis zur inhaltlichen Weiterentwicklung der Anlage ist alles dabei. Aktuell tauschen wir beispielsweise Antriebe der Miniaturweichen aus, die sich als nicht robust genug für den Dauerbetrieb an jährlich 357 Tagen herausgestellt haben. Solche Arbeiten bekommt das Publikum nicht mit, machen den Betrieb aber sicherer und reduzieren Ausfallzeiten. Ähnliches gilt für technische Feinheiten wie die filigrane Zahnradbahn im Zentrum der Anlage. Wir ertüchtigen sie Stück für Stück, damit sie im täglichen Betrieb zuverlässig die steile Strecke zur Spitze des Schlossbergs schafft. Perspektivisch möchten wir, dass Aktionen wie die Fahrt der Zahnradbahn außerhalb der Vorführzeiten vom Publikum per Knopfdruck ausgelöst werden können und die Anlage dadurch interaktiver wird. Auch optisch entwickeln wir die Anlage weiter. Dafür hat das Team vom Leitstand zum Beispiel neue, stärker stilisierte Miniaturbäume entworfen. Sie ersetzen nach und nach die bisherigen Modellbäume, die bei vielen Besuchenden den Eindruck erwecken, es handele sich um blätterlose Laubbäume und damit um eine Winterlandschaft und nicht um ein Architekturmodell.

Hast Du einen Tipp für unsere BesucherInnen, wo sollte man ganz genau hinschauen, wenn man vor der Anlage steht?

Die Anlage mag zwar auf den ersten Blick ungewöhnlich wirken, doch auch auf ihr gibt es viele Details, die Spaß machen sollen und typisch für Modellbahnen sind. Die kleinen Szenen haben bei uns immer etwas mit Mobilität zu tun, wenn auch manchmal in einem etwas weiteren Sinne: Eine Katze ist auf einen Aussichtpunkt geklettert, eine Hochzeitsgesellschaft flaniert über den Marktplatz, Badegäste stehen Schlange für ein Eis. Das alles und noch viel mehr wartet darauf, entdeckt zu werden.

Modellbahn

Factsheet - Zahlen und Fakten

  • Maßstab: 1:87 (Baugröße „H0“)
  • Fläche der Modellbahn: 44 qm
  • Zuggarnituren: 36
  • Längster Zug. 4,5 m
  • Fahrende Straßenfahrzeuge: ca. 20
  • Gleislänge: ca. 750 m
  • Weichen: 185

Frank Zwintzscher stellt die Modellbahnanlage auf der Museumsinsel vor

Programm in der Ausstellung

Wann findet das Programm statt?

Jeden Tag live. Jeden Tag neu. Für Einzelbesucher und Kleingruppen bis fünf Personen finden täglich kostenlos und ohne Anmeldung Führungen, Vorführungen, Science Shows und Mitmachprogramme in unterschiedlichen Ausstellungen statt. Das aktuelle Tagesprogramm wird jeden Tag um circa 9:20 Uhr auf der Webseite und in der Deutsches Museum App veröffentlicht.

Autor/in

Frank Zwintzscher

Frank Zwintzscher ist wissenschaftlicher Mitarbeiter für Schienenverkehr und zuständig für die Modellbahn. Der Historiker war zuvor unter anderem als Kurator am Deutschen Technikmuseum in Berlin tätig. Sein Tipp für einen Besuch im Deutschen Museum: Das Vorbild der Museumsdampflok auf der Modellbahn ist im Verkehrszentrum auf der Theresienhöhe zu besichtigen. Die bayerische Schnellzugdampflok „S 3/6“ wiegt rund 90 Tonnen und ist 22 Meter lang. In der Ausstellung „Reisen“ vermittelt die Lok zusammen mit vielen weiteren einzigartigen Exponaten die Geschichte der Mobilität.

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