Mitte Januar 1915, also nicht mal ein halbes Jahr nach Kriegsbeginn, ging man bereits von etwa 30.000 Kriegsversehrten aus – meist junge Männer, die als Soldaten in den Krieg gezogen waren, und nun als sogenannte Krüppel wieder nach Hause zurückkehrten. In einer Rede vor dem Reichstag fasste der Orthopäde Professor Dr. Konrad Biesalski (1868–1930) die Situation damals so zusammen: „Wir stehen also vor einem Problem von denkbar größter ethischer und wirtschaftlicher Bedeutung, das alle Deutschen gleichmäßig angeht; denn es ist selbstverständlich, daß wir nicht, wie in früheren Jahren, es zulassen können, daß diese Verwundeten und Krüppel nun als Leierkastenmänner oder als Hausierer durch die Straßen ziehen. Und doch ist diese Gefahr groß: Eine Fabrik baut schon Tausende von Leierkästen, und eine andere ist daran, kitschige patriotische Bilderbogen fertigzustellen, die sie durch solche Krüppel vertreiben lassen will. Wir können einfach den Gedanken nicht ertragen, daß diese Leute als Bettler herumlaufen; wir müssen dafür sorgen, daß sie wieder aufrechte und selbstständige Männer werden wie vor dem Kriege, das heißt, wir müssen ihnen Arbeit schaffen und eine freie, selbstständige Existenz, damit sie vor sich selber Hochachtung haben, und ihre Nachkommenschaft vor ihnen, und damit sie bis auf den ,kleinen Schaden‘, den sie nun einmal erlitten haben, in der Masse des Volkes untergetaucht, wieder dieselben sind, wie vorher.“
Durch die neue Art der Kriegsführung hatte sich die Art der Verletzungen verändert und die Wehrmedizin musste neue Therapieformen entwickeln. Bei einem Großteil der verwundeten Soldaten wurden bei Verletzungen die Gliedmaßen amputiert, weil weder genügend Material noch Zeit für aufwendigere Versorgungen zur Verfügung standen. Die besonderen Anforderungen, die der Krieg an die Medizin stellte, führten aber auch zur Weiterentwicklung verschiedenster medizinischer Verfahren und Forschungen, beispielsweise der Bluttransfusion, der Prothetik und der plastischen Chirurgie.
Waren im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 noch 80 bis 90 Prozent aller »Schussbrüche« (wenn eine Kugel auf einen Knochen trifft und ihn zersplittert) verstorben, überlebten nun viele der so verletzten Soldaten und wurden zu Kriegsinvaliden (seit Mai 1915 in Preußen der offizielle Begriff).