Direkt zum Seiteninhalt springen

von

Was der berühmte Physiker, ein junger Erfinder und das Deutsche Museum miteinander zu tun haben.

Unbemannt zum Ziel

Im ersten Weltkrieg wurden Kreiselgeräte in Schiffen, U-Booten und Flugzeugen, für unbemannte Torpedos, ferngelenkte Sprengboote und Flugapparate (Drohnen) eingesetzt. Um das nach dem Krieg jäh beendete Geschäft neu zu beleben, sollten sie zivile Verwendung in der Schifffahrt finden. Die Firma Anschütz konzipierte hierfür ein automatisches „Selbststeuer“, das den traditionellen Rudergänger an Bord ersetzen sollte. Diese Wortschöpfung stellte noch eine deutsche Version eines späteren „Autopiloten“ dar. Auch an dessen Konstruktion waren wieder Professoren der Münchner Technischen Hochschule beteiligt.

Eiserner Gustav und Metal Mike

Zu den ersten praktischen Anwendungen in Deutschland gehörte der 1922 gebaute Frachter „Adolph Woermann“, dessen Steuerhaus zur Eröffnung des Deutschen Museums nachgebildet wurde und kürzlich bereits Gegenstand eingehender Provenienzforschung geworden ist. Das darin direkt neben dem Ruderstand installierte Selbststeuer wurde bei den Nautikern„Eiserner Gustav“ genannt und fand bald internationale Konkurrenz. Da im Krieg Gerichtsurteile nicht mehr zählten, war die Firma Sperry weiterhin dicht am Fortschritt der Entwicklung geblieben, sodass fast zur selben Zeit auch Sperrys Bauvariante eines Autopiloten erschien– als „Metal Mike“.

Bei den traditionellen Seefahrern waren diese Fremdlinge an Bord zuerst äußerst unbeliebt. Wo war die Kunst des Steuermanns geblieben? Die Bedenken richteten sich dagegen, die Arbeit des Rudergängers, die große Geschicklichkeit erforderte, einem „toten Mechanismus“ zu übertragen. So versuchten die Entwickler die „Ängstlichkeit“ vor dieser Maschine abzubauen: „Es sei für den Fachmann verblüffend, mit welch langsamen und seltenen Bewegungen das Schiff auf einem ausgezeichneten Kurs gehalten wird. Diese Ruhe teile sich auch sogar dem Schiffsführer mit [...] und der ohne jede Nervosität gesteuerte eigene Kurs sei von entgegenkommenden Schiffen besser erkennbar“. Die Simulation des Steuervorgangs bedeute keine Ausschaltung der geistigen Arbeit; diese sei „in der Maschine verkörpert“. Außerdem gehöre bei drei Einstellmöglichkeiten ein „intelligenter Seemann, also ebenfalls geistige Arbeit dazu, um bei verschiedenen Wetterverhältnissen die günstigsten Leistungen aus der Maschine herauszuholen“. Noch dazu hatte der Autopilot auch einen ökonomischen Nutzen, weil sich durch das genauere Verfolgen der Kurslinie die Fahrstrecke verkürzte.

Einsteins Entwicklungshilfe

Nach dem ersten Weltkrieg, in dem sich besonders in U-Booten Mängel am Kreiselkompass von Anschütz gezeigt hatten, wurden die Entwicklungsarbeiten fortgesetzt. Auch die Konflikte und Patentstreitigkeiten hielten an, da die erfolgreiche und lukrative Technik vermehrt Konkurrenten angelockt hatte. Auch deshalb setzte sich die Zusammenarbeit von Hermann Anschütz-Kaempfe und Albert Einstein in den 1920er Jahren verstärkt fort. Einstein erwog sogar, nach Kiel „in die Technik“ zugehen. Er war dort als ein begeisterter Segler und engagierter, einfühlsamer Gutachter willkommen. Anschütz-Kaempfe richtete dem „Zigeuner“ (wie Einstein sich in einem Brief an den Gastgeber bezeichnete) dort eine bescheidene „Diogenestonne“ ein. Der Physiker half noch weiter an der Verbesserung des Kreiselkompasses, als „Kugelkompaß“. In einem kugelförmigen Schwimmer sollten die Kreisel eine besonders ungehinderte Bewegungsmöglichkeit erhalten. Für dieses Gerät wurde wegen der Einschränkungen des Versailler Vertrages für militärische Entwicklungen eigens eine Scheinfirma Giro in Holland eingerichtet. Einsteins finanzieller Anteil daran, von dem er sich „ganz erheblichen Nutzen“ versprach, wurde vertraglich festgelegt. Allerdings musste er seine Lizenzerträge mehrmals anmahnen; und als er noch im Jahr 1940 von Princeton aus Lizenzgebühren anforderte, war die holländische Scheinfirma aufgelöst worden.

Inzwischen hatte sich die politische Lage verschärft, in der Albert Einstein den amerikanischen Präsidenten Roosevelt warnte, dass feindliche Schiffe mit neuartigen Bomben in amerikanische Häfen eindringen könnten, und empfahl ihm die Entwicklung von Atombomben. Es waren dann später aber weniger feindliche Schiffe in amerikanischen Häfen als alliierte Bomber über deutschen Städten, die 1944 schließlich auch das Deutsche Museum trafen und große Zerstörung anrichteten. Die Maschinen flogen mit kreiselgesteuerten Bord- und Zielgeräten – letztlich basierend auf Hermann Anschütz-Kaempfes Entwicklungen. Und so hatte der Erfinder recht behalten, als er einmal geklagt hatte: „Die Kultur geht so gänzlich flöten bei der Technik.“

Tipps zum Weiterlesen:

  • Broelmann, Jobst: „Die Kultur geht so gänzlich flöten bei der Technik". Der Unternehmer und Privatgelehrte Hermann Anschütz-Kaempfe und Albert Einsteins Beitrag zur Erfindung des Kreiselkompasses. Kultur & Technik, München, 1991,H. 1, S. 50 - 58
  • Intuition und Wissenschaft in der Kreiseltechnik 1750 bis 1930; Deutsches Museum, Abhandlungen und Berichte, Neue Folge, Band 17, München 2002
  • Der Spieltrieb des Forschers. Einstein und die Technik. Kultur & Technik, München, 2005, H. 2, S.24- 30.
  • Sichau, Christian: Einstimmig gewählt. Einstein und das Deutsche Museum. Kultur & Technik, München, 2005, H. 2, S. 16-20.

Autor/in

Jobst Broelmann

Jobst Broelmann

Jobst Broelmann, ehrenamtlicher Senior Researcher am Forschungsinstitut, studierte und erforschte die Schiffstechnik in Hamburg, bevor sein Weg ihn 1981 in das Deutsche Museum und, nach einem Brand, zur Neugestaltung der Abt. Schifffahrt führte. Nach Veröffentlichungen zur Technik- und Abteilungsgeschichte befasst er sich mit der Restaurierung, Präsentation und Veränderung von Schiffen in Museen.

Sein Tipp im Deutschen Museum sind die neue Luftfahrtabteilung und, immer wieder, die reichhaltige Bibliothek.

Das könnte Sie auch interessieren: