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Das Jahr 2020 war doch irgendwie alles andere als "normal"... Auch die Verleihung der Nobelpreise des Jahres fand unter besonderen Bedingungen statt! Am 10. Dezember gab es zwar eine offizielle Preisverleihung, allerdings so ganz ohne Gäste und vor allem auch ohne die Preisträgerinnen und Preisträger. Anders als sonst, erhielten sie ihre Preise nämlich nicht in Stockholm, sondern in ihren jeweiligen Heimatländern, also verteilt über die ganze Welt.
Ab heute wollen wir Ihnen die drei naturwissenschaftlich-technischen Preise für 'Physik', 'Chemie' und 'Physiologie oder Medizin' sowie ihre Preisträgerinnen und Preisträger etwas genauer vorzustellen. In den kommenden Wochen werden wir jeweils einen neuen Artikel dazu veröffentlichen.
Sobald das Museum wieder geöffnet ist können Sie diese Informationen aber auch dort nachlesen. Direkt am Eingang zur Physik-Abteilung befinden sich unsere Nobelpreis-Tafeln.

Der Nobelpreis für Physik 2020 „für die Entdeckung, dass die Bildung von Schwarzen Löchern eine robuste Vorhersage der Allgemeinen Relativitätstheorie ist“ und „für die Entdeckung eines supermassereichen, kompakten Objekts im Zentrum der Milchstraße“

Schwarze Löcher

Wirft man einen Stein in die Luft, so fällt er normalerweise wieder herunter. Allerdings gibt es eine Grenzgeschwindigkeit, bei der das nicht mehr zutrifft und der Stein sich immer weiter von der Erde entfernt. Diese Geschwindigkeit nennt man Fluchtgeschwindigkeit. Sie beträgt auf der Erde 11,2 km/s. Auf schweren Himmelskörpern ist die Fluchtgeschwindigkeit größer. Der englische Naturphilosoph John Michell war von der Teilchennatur des Lichtes überzeugt und folgerte 1783, dass ein sehr schwerer Himmelskörper, bei dem die Fluchtgeschwindigkeit die Lichtgeschwindigkeit erreicht, selbst das Licht nicht entweichen lassen sollte – die Lichtteilchen fallen dann wie Steine wieder zurück. Solche Körper sollten schwarz erscheinen. Pierre-Simon Laplace wiederholte diese Argumentation 1796 in seiner Veröffentlichung „Exposition du Système du Monde“. Dann wurde es über ein Jahrhundert still um die dunklen Himmelskörper. Erst mit Albert Einstein kam wieder Bewegung in die Debatte. Er hatte 1915 mit den Feldgleichungen der allgemeinen Relativitätstheorie eine neue Theorie der Schwerkraft gefunden. Kurz darauf lieferte Karl Schwarzschild (1873 - 1916) die erste exakte Lösung bei sphärischer Symmetrie und damit auch eine erste theoretische Beschreibung von Schwarzen Löchern.

Mathematische Vorarbeit

Erst 50 Jahre nach der Veröffentlichung von Schwarzschild prägte 1967 John A. Wheeler (1911-2008) den Begriff „Schwarzes Loch“ und es kam erneut Schwung in die Debatte. Der neuseeländische Mathematiker Roy Patrick Kerr fand 1963 eine Lösung der Allgemeinen Relativitätstheorie für rotierende Schwarze Löcher. Es war zu diesem Zeitpunkt nicht klar, ob nicht Abweichungen von der sphärischen Symmetrie einen Gravitationskollaps verhindern könnten. Roger Penrose versuchte mit sehr viel allgemeineren Annahmen zu beweisen, dass es auch bei Abweichungen von der sphärischen Symmetrie zur Bildung eines Schwarzen Lochs kommt. Dazu hat Penrose Anfang der 1960er Jahre die sogenannten konformen Transformationen entdeckt. Diese Transformationen führten ihn auf eine Metrik, in der sich das Verhalten der physikalischen Metrik im Unendlichen viel besser beschreiben lässt. Damit konnte Penrose die nach ihm benannten Diagramme herleiten, die beispielsweise den Kollaps einer Massenansammlung zu einem Schwarzen Loch erklären. Schließlich verfolgte Penrose einen topologischen Ansatz mit Hilfe sogenannter Einfangflächen (drapped surface). Damit gelang es schließlich, die Voraussetzungen für das Entstehen von Singularitäten in Schwarzen Löchern neu zu formulieren.

Beobachtung Schwarzer Löcher

Lange waren Schwarze Löcher die Angelegenheit von Mathematikern und wenigen theoretischen Physikern. Dass es Objekte mit so unvorstellbar großer Dichte wirklich geben kann, hielt man für unwahrscheinlich. Erst mit dem genaueren Verständnis vom Verhalten solcher Materie mit Hilfe der Quantenmechanik zeigte sich, dass es beim Kollaps von ausgebrannten Sternen mit mehreren Sonnenmassen kein Halten mehr gibt. Die Materie stürzt ins Massenzentrum. Julius R. Oppenheimer und Hartland Snyder veröffentlichten 1939 einen Artikel über den relativistischen Gravitationskollaps einer homogenen Flüssigkeitskugel. Dies war die erste Berechnung, wie sich ein kollabierendes Objekt während des Kollapses von der Außenwelt durch die Ausbildung eines Ereignishorizontes abschirmt. Nach dem Zweiten Weltkrieg entdeckten Radioastronomen so genannte Quasare – weit entfernte Himmelsobjekte, welche die absolute Helligkeit von normalen Galaxien bei weitem übertreffen. Als Energiequelle dieser Objekte vermuteten Forscher ein supermassives Schwarzes Loch im Zentrum einer Galaxie, das Materie aus der Umgebung aufsaugt. Damit gab es zwei mögliche Kandidaten für schwarze Löcher: Jene als Endstadium der Sternentwicklung und supermassive Schwarze Löcher im Zentrum von Galaxien. Bis in die 1990er Jahre wurden einige Kandidaten für sogenannte stellare Schwarze Löcher von wenigen Sonnenmassen in Doppelsternsystemen gefunden, der Nachweis, dass sich im Zentrum von vielen Galaxien supermassive Schwarze Löcher befinden, stand noch aus. Die Astronomen Reinhard Genzel und Andrea Ghez beschlossen deshalb, sich das Zentrum unserer eigenen Milchstraße genauer anzuschauen. Im sichtbaren Licht ist das Zentrum durch Gas und Staubwolken verbogen und nur im nahen Infrarot beobachtbar. Genzel erforscht seit Anfang der 1990er Jahre das Zentrum der Milchstraße mit den Großteleskopen in Chile, Andrea Ghez seit Mitte der 1990er Jahre mit den Keck Teleskopen auf dem Mount Mauna Kea auf Hawaii. Durch jahrelange Beobachtung konnten beide Forscher mit ihren Forschungsgruppen übereinstimmend die Bahnen einiger Sterne identifizieren, die sich kreisförmig um ein Zentrum drehen. Alle Sterne bewegen sich extrem schnell. Der innerste Stern, S2 genannt, braucht nur 15 Jahre für einen Umlauf. Die beobachteten Bahnparameter der Sterne lassen nur einen Schluss zu: Im galaktische Zentrum unserer Milchstraße befindet sich ein supermassereiches Schwarzes Loch (Sagittarius A*) mit einer Masse von 4,1 Millionen Sonnenmassen.
  • Preisgeld: 10 Millionen Schwedische Kronen (rund 950.000 €), zur Hälfte an Roger Penrose und zu jeweils einem Viertel an Andrea Ghez und Reinhard Genzel.
  • Pressemitteilung: http://nobelprize.org/

Autor/in

Christian Sicka

Christian Sicka ist Physiker und als Kurator im Bereich Naturwissenschaften am Deutschen Museum verantwortlich für Astronomie, Planetarium, Atomphysik und Zeitmessung.

Sein Tipp für einen Besuch im Deutschen Museum:

Besuchen Sie die Ausstellung Atomphysik auf der Museumsinsel und entdecken Sie dort Highlights wie die Apparatur mit der Marie und Pierre Curie die Radioaktivität entdeckt haben. Auch einen "Atomenergie-Experimentierkasten" für Kinder aus den 1950er Jahren präsentieren wir dort - und erkären, was hinter diesem "Spielzeug" steckt.

 

 

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