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Genau vor einem Monat wurden im Stockholmer Konzerthaus die Nobelpreise des Jahres 2019 verliehen. Dies nehmen wir ab heute zum Anlass Ihnen die drei naturwissenschaftlich-technischen Preise für 'Physik', 'Chemie' und 'Physiologie oder Medizin' sowie ihre Preisträger etwas genauer vorzustellen. In den kommenden Wochen werden wir jeweils einen neuen Artikel dazu veröffentlichen. Wie jedes Jahr können Sie diese Informationen aber auch im Museum nachlesen. Direkt am Eingang zur Physik-Abteilung befinden sich unsere Nobelpreis-Tafeln.

Lithium-Ionen-Akku: Die leistungsstärkste Batterie der Welt

Der Nobelpreis für Chemie 2019 ehrt eine Entdeckung, die den Grundstein legte für drahtlose Elektronik wie Handys und Laptops: der Lithium-Ionen-Akkumulator. Damit wird auch eine Welt ohne fossile Brennstoffe denkbar, da diese Batterien für den Antrieb von Elektroautos im Einsatz sind.

Stanley Whittingham: Batterieforschung beim Mineralölriesen

In den 1970er Jahren wurde die Welt von Erdölkrisen heimgesucht. Selbst riesige Mineralölkonzerne wie Exxon sahen sich nach alternativen Antrieben um und investierten in die Forschung zur Elektromobilität. Stanley Whittingham kam 1972 von der Universität Stanford zu Exxon. Er hatte zuvor an festen Materialien mit winzigen, eingeschlossenen Räumen geforscht. In diese Räume, die Platz für ein Atom bieten, konnten geladene Ionen reversibel eingelagert werden. Dieses Phänomen nennt man Interkalation. Die Materialeigenschaften ändern sich bei dieser Einlagerung. Bei der Untersuchung von Kaliumionen, die in Tantaldisulfid eingelagert wurden, stellte Whittingham fest, dass das Material eine elektrische Spannung aufwies, die höher war als die der damaligen Batterien.

Im nächsten Schritt ersetzte Wittingham Tantal gegen Titan und Kalium gegen Lithium. Lithium ist deswegen als Anodenmaterial so geeignet, da es besonders leicht Elektronen abgibt – genau das, was eine Anode tun soll. Die wiederaufladbare Lithium-Ionen-Batterie war geboren und wurde von Exxon weiterentwickelt.

Leider gab es im Folgenden Probleme mit der Kommerzialisierung. Lithium ist ein reaktives Metall, das oft Kurzschlüsse und Brände an den Batterien verursachte. Stanley Whittingham gab seine Entdeckung 1976 bekannt und die Batterie wurde in kleinem Maßstab für Uhren hergestellt.

Für Elektroautos wurden die Entwicklungen jedoch nicht vorangetrieben: Anfang der 1980er Jahre fiel der Ölpreis dramatisch, und Exxon investierte nicht weiter in die Forschung.

In der Ölkrise interessiert sich John Goodenough für Batterien

John Goodenough war in den 1970er Jahren ebenfalls von der Ölkrise betroffen und wollte seinen Beitrag zur Entwicklung alternativer Energiequellen leisten. Als Professor für Anorganische Chemie an der Universität Oxford in Großbritannien betrieb auch er Energieforschung. Er wusste von Whittinghams revolutionärer Batterie und entwickelte sie weiter.

Er setzte als Elektrodenmaterial Cobaltoxid ein. Die gleiche Technik der interkalierenden Lithiumionen lieferte jetzt eine doppelt so hohe Spannung wie Whittinghams Batterie.

1980 veröffentlichte Goodenough die Entdeckung dieses neuen Kathodenmaterials, das trotz des geringen Gewichts zu leistungsstarken Batterien mit hoher Kapazität führte.

Japanische Unternehmen wollen leichte Batterien für neue Elektronik

Trotzdem sank im Westen mit dem fallenden Ölpreis auch das Interesse an Investitionen in alternative Energiequellen. In Japan war das anders. Elektronik-Unternehmen waren auf der Suche nach leichten, wiederaufladbaren Batterien für Geräte wie Videokameras, schnurlose Telefone und Computer. Eine Person, die den Bedarf erkannte, war Akira Yoshino von der Asahi Kasei Corporation.

Yoshino baute den ersten handelsüblichen Lithium-Ionen-Akku. Er benutzte Goodenoughs Lithium-Cobalt-Oxid als Kathode und versuchte, verschiedene Materialien auf Kohlenstoffbasis als Anode zu verwenden. Besonders vielversprechend war Petrolkoks, ein Nebenprodukt der Ölindustrie. Wenn man Petrolkoks mit Elektronen „beschickte“, wurden die Lithiumionen in das Material hineingezogen. Dann schaltete er die Batterie ein und die Elektronen und Lithiumionen flossen in Richtung des Cobaltoxids in der Kathode.

Der von Akira Yoshino entwickelte Akku ist stabil, leicht, hat eine hohe Kapazität und produziert eine bemerkenswerte Spannung von vier Volt. Der größte Vorteil der Lithium-Ionen-Batterie liegt in ihrer langen Lebensdauer: Die meisten anderen Batterien basieren auf chemischen Reaktionen, bei denen die Elektroden sich langsam, aber sicher zersetzen. Wenn ein Lithium-Ionen-Akku geladen oder entladen wird, fließen die Ionen zwischen die Elektroden, ohne mit ihrer Umgebung chemisch zu reagieren. Dies bedeutet, dass die Batterie hunderte Male aufgeladen werden kann, bevor sich die Leistung verschlechtert.

Ein weiterer großer Vorteil ist, dass die Batterie kein reines Lithium enthält. Lithium ist ein so reaktives Metall, dass es im Verlauf der Entwicklung oftmals zu Bränden oder Explosionen kam. Yoshinos Batterie war viel sicherer.

Die Arbeit von Akira Yoshino führte schließlich zur ersten kommerziell erhältlichen Lithium-Ionen-Batterie, die ab 1991 in Japan verkauft wurden. Dies führte zu einer Revolution in der Elektronik. Handys schrumpften, Computer wurden tragbar, MP3-Player und Tablets konnten entwickelt werden.

Durch ihre Arbeiten haben John Goodenough, Stanley Whittingham und Akira Yoshino Möglichkeiten für eine mobile Zukunft ohne fossile Brennstoffe geschaffen.
  • Preisgeld: 9 Millionen Schwedische Kronen (rund 852.000 €), zu je einem Drittel an jeden der Preisträger.
  • Pressemitteilung: http://nobelprize.org/

Autor/in

Susanne Rehn-Taube

Susanne Rehn ist Chemikerin und seit 2005 Kuratorin für Chemie am Deutschen Museum. Sie hat mit ihrem Team die Ausstellung Chemie (Eröffnung Juli 2022) konzipiert und ist für die Digitalisierung der chemischen Sammlung verantwortlich.

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