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Die Kernspaltung ist eine der bedeutendsten Entdeckungen des 20. Jahrhunderts. Sie versprach eine schier unerschöpfliche Energiequelle, drohte aber auch mit verheerenden Zerstörungskräften. Ein Zufall und ein Moment der tiefen Verwunderung standen am Anfang ihrer Entdeckungsgeschichte. Im Deutschen Museum in München steht ein Zeitzeuge dieser Entwicklung und des lang vergessenen Beitrags von Lise Meitner: der Kernspaltungstisch.

Die Physikerin Lise Meitner lebt und forscht seit 1907 in Berlin. In den 1930er-Jahren leitet sie eine Abteilung im renommierten Kaiser-Wilhelm-Institut (KWI) für Chemie. Sie hat fast ihr ganzes Forscherinnenleben sehr erfolgreich mit dem Chemiker Otto Hahn zusammengearbeitet und steht an der Schwelle zu einem neuen Projekt: Sie möchte Versuche des italienischen Physikers Enrico Fermi nachbauen und erweitern. Fermi hatte durch Beschuss von Atomen mit Neutronen eine ganze Reihe künstlicher Elementumwandlungen ausgelöst und behauptet, durch den Beschuss von Urankernen (Uran hielt man damals für das schwerste natürliche Element) schwerere Atome, also künstliche Transurane, erhalten zu haben.

Gemeinsam mit Otto Hahn und später Fritz Straßmann untersucht Meitner also die Bestrahlungsprodukte von Uran- und Thoriumatomen. Die Versuche laufen grundsätzlich in drei verschiedenen Räumen ab: Im Bestrahlungsraum lässt man eine Neutronenquelle auf die Uranprobe einwirken, meist über Nacht. Die Produkte entstehen in unwägbar kleinen Mengen und müssen einem anspruchsvollen chemischen Reinigungsprozess im Chemielabor unterworfen werden. Die Messung der radioaktiven Strahlung der Produkte findet wiederum im Messraum auf genau dem Tisch statt, den wir heute noch im Deutschen Museum sehen. Nur zeigt dieser Tisch heute Geräte aus allen drei Räumen und ist damit ein historisch nicht ganz korrektes Arrangement. Dieses entstand bereits am Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz, Folgeinstitution des KWI für Chemie. In dieser Form fand das Exponat seinen Weg ins Deutsche Museum und wurde dort ab 1953 dauerhaft ausgestellt. Dass Otto Hahn den Tisch selbst für das Museum zusammengestellt hat, kann man getrost als Legende bezeichnen.

Wie aber kommt es nun zu der folgenreichen Entdeckung? Lise Meitner findet mit ihren Kollegen in der Tat Transurane, alles scheint wie erwartet, einige Publikationen folgen. Gleichzeitig verändert sich das politische Klima in Deutschland, die Nationalsozialisten ergreifen die Macht und nach dem „Anschluss“ Österreichs 1938 an Deutschland muss Meitner als österreichische Jüdin aus Deutschland fliehen. Sie lässt sich notgedrungen in Schweden nieder. Trotz dieses gravierenden Einschnitts bleibt sie in intensivem brieflichem Kontakt mit Hahn. Dieser findet im Dezember 1938 das chemische Element Barium als Produkt der Bestrahlungsversuche, also Atomkerne, die nur etwa die Hälfte der Masse des Urankerns aufweisen. Hahn und Straßmann haben keine Erklärung für dieses Ergebnis. Per Brief von Hahn um Hilfe gebeten, findet Lise Meitner nach den Weihnachtstagen gemeinsam mit ihrem Neffen, dem Physiker Otto Robert Frisch, eine Erklärung: Der große Urankern gerät, ähnlich einem Wassertropfen, durch den Neutronenbeschuss in Schwingungen und zerfällt in zwei nahezu gleich große Teile. Meitner und Frisch prägen den Begriff „nuclear fission“ („Kernspaltung“) für die Reaktion. Dass bei diesem Prozess sehr viel Energie frei wird, können sie ebenfalls durch Berechnungen bestätigen.

Als diese Ergebnisse publik werden, beginnen verschiedene Arbeitsgruppen auf der ganzen Welt, die Versuche weiterzuführen. Die militärische Verwendung der ungeheuren Menge an freigesetzter Energie wird früh erkannt und führt schließlich zur Entwicklung der Atombombe, deren Abwurf am Ende des 2. Weltkriegs auf die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki Tausenden Menschen das Leben kosten wird.

Trotzdem trägt die Entdeckung in Deutschland zu Hahns wissenschaftlichem Ruhm bei, und zwar nur zu seinem. Lise Meitners Beitrag an der Entdeckung gerät in Vergessenheit, wofür auch das Deutsches Museum mitverantwortlich ist: Es hat Meitners Beitrag jahrzehntelang ignoriert. Heute wird die Entdeckung ausführlicher erzählt und Meitners Beitrag kenntlich gemacht. Und auch das Exponat trägt einen neuen Namen: Aus dem „Otto-Hahn-Tisch“ wurde der „Kernspaltungstisch“.

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Die Physikerin Lise Meitner lässt sich so schnell nicht aufhalten. Sie geht Anfang des 20. Jahrhunderts in die Forschung, und das obwohl Frauen an Universitäten damals noch nicht erlaubt sind. Und selbst als sie im Zweiten Weltkrieg ins Exil muss, hat sie von dort einen wesentlichen Anteil an der Entdeckung der Kernspaltung – was lange nicht bekannt war.

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Autor/in

Susanne Rehn-Taube.

Susanne Rehn-Taube

Susanne Rehn ist Chemikerin und seit 2005 Kuratorin für Chemie am Deutschen Museum. Sie hat mit ihrem Team die Ausstellung Chemie konzipiert und ist für die Digitalisierung der chemischen Sammlung verantwortlich.

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