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Highlight-Exponate in der neuen Eingangshalle

Obwohl die Entwicklung vieler innovativer Arzneimittel und Therapien auf dem Einsatz von Biotechnologie und Gentechnologie, einem Teilgebiet der Biotechnologie, basieren, stößt der Begriff „Gentechnik“ regelmäßig auf Widerstand. So wird er oftmals automatisch mit gentechnisch veränderten Pflanzen oder Nahrungsmitteln in Zusammenhang gebracht. Bei jeder bzw. jedem vierten Deutschen weckt er negative Assoziationen. Die Befürwortung von Gentechnik steigt jedoch auf 90 Prozent, wenn man die Befragten darüber aufklärt, dass Gentechnologie dabei helfen kann, Erkrankungen wie Krebs besser behandeln zu können. Aber was steckt eigentlich dahinter? Das wollen wir in diesem Artikel passend zu unserer neuen Ausstellungseinheit zu Nano- und Biotechnologie erklären.

Dieser Beitrag ist entstanden in Zusammenarbeit mit der Amgen GmbH. Das Biotechnologieunternehmen mit Sitz in München unterstützt als Partner den Bereich Nano- und Biotechnologie im Deutschen Museum.

Was ist eigentlich Gentechnik?

Gentechnik beschreibt Methoden und Verfahren der Biotechnologie, mit denen genetische Informationen gezielt abgeändert oder genetisch veränderte Mikroorganismen zur Produktion von komplexen Molekülen und Proteinen eingesetzt werden. Dabei unterscheidet man zwischen drei Bereichen der Gentechnik. Die sogenannte „grüne“ Gentechnik kommt bei Pflanzen zur Anwendung. Sie wird beispielsweise zur Erhöhung der Resistenz gegen Schädlinge und Umwelteinflüsse eingesetzt. Die „weiße“ Gentechnik findet Anwendung in der Industrie, zum Beispiel bei der Herstellung von Wasserstoff. Rot steht in der Gentechnik für Medizin und Pharmazie.

Grundlagen der Gentechnik

Bis zum kommerziellen Einsatz gentechnischer Methoden war es ein langer Weg. Viele herausragende Forschungsleistungen waren nötig, um uns in kleinen Schritten dahin zu bringen, wo wir heute sind. Die Grundlage legte Gregor Johann Mendel schon 1865, als er den Mechanismus der Vererbung erforschte. Ein großer Meilenstein war die Entdeckung der Doppelhelix-Struktur der DNA durch James Watson und Francis Crick im Jahr 1953. Die DNA kann seit 1977 sequenziert - also Baustein für Baustein entschlüsselt - werden, was zu dem ehrgeizigen Ziel führte, das menschliche Genom komplett sequenzieren zu wollen. Dies gelang in den Jahren 1990-2000.

Aber nochmal zurück zu den Arzneimitteln. Tatsächlich wurde schon 1982 das menschliche Insulin als erstes gentechnisch hergestelltes Arzneimittel zugelassen. Heute gibt es in Deutschland über 398 zugelassene Arzneimittel, die mit Hilfe von gentechnischen und biotechnologischen Methoden hergestellt werden1. Mit der 2012 entdeckten CRISPR-Cas9-Methode zum sogenannten Genome Editing sind Hoffnungen geweckt worden, in Zukunft noch mehr Krankheiten behandeln zu können, für die es bislang keine Therapien gibt. Gentherapien gewinnen langsam, aber stetig an Bedeutung2. Meist soll mit ihrer Hilfe ein nicht funktionsfähiges Gen ersetzt werden, dies ist ein aufwändiges Verfahren. Gentherapeutika werden häufig auf die erkrankte Person zugeschnitten. Aufgrund dieser schwierigen Voraussetzungen gibt es bislang erst 14 zugelassene Medikamente in diesem Bereich3.

Neue Arzneimittel dank Gentechnik

In unseren letzten Beiträgen haben wir Ihnen schon die Besonderheiten von Biopharmazeutika, also von Arzneimitteln, die biotechnologisch hergestellt worden sind, nähergebracht. Diese Art der Produktion von lebenswichtigen Arzneimitteln gewinnt mehr und mehr an Bedeutung: Fast 60 Prozent aller in Deutschland neu zugelassenen Arzneimittel im Jahr 2022 sind Biopharmazeutika. Zusammengenommen sind aktuell über 398 solcher Arzneimittel in Deutschland zugelassen1.  Zu ihnen zählen unter anderem Humaninsuline sowie biotechnologische Arzneimittel gegen Krebs, Autoimmunerkrankungen, Stoffwechsel- und Gerinnungsstörungen. Auch Impfstoffe gegen Gebärmutterhalskrebs und Hepatitis B werden mit Hilfe von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) hergestellt. GVO haben fremde Gene in ihr Genom integriert und können dadurch bestimmte Proteine in größeren Mengen produzieren, als sie es normalerweise tun. So ist es beispielsweise möglich, dass Bakterien die menschliche Version des Insulins, das Humaninsulin, herstellen.

Viren als Werkzeuge der Gentechnik

Erb-Erkrankungen sind auf Mutationen der DNA zurückzuführen, wodurch bestimmte Proteine nicht oder nur fehlerhaft gebildet werden. Um dieses Defizit auszugleichen, können intakte Gene in den erkrankten Organismus eingebracht werden. Auch wenn es im ersten Moment widersprüchlich klingt, ist genau dies mit Hilfe von Viren möglich. Viren benötigen von Natur aus einen Wirt, der ihre eigene genetische Information vervielfältigt. Einige Viren gehen dabei sogar so weit, dass sie ihre Gene in das Genom ihres Wirts einbauen. Solche Viren macht man sich heute als „Vektor“ für die Gentechnik zu nutze. Dafür wird das Virusgenom durch die spezifische DNA-Sequenz, die in einen Organismus oder eine Zelle eingebracht werden soll, ersetzt und der „Wirt“ anschließend infiziert. Zwar können Viren fremde Gene effizient in den genetischen Code eines Organismus einbringen, die genaue Stelle der Integration lässt sich jedoch oft nicht steuern. Dies hat zur Folge, dass beim Einbau wichtige Gene zerstört werden können – im schlimmsten Fall kann dies beispielsweise zu Krebserkrankungen führen. Für einen ortsspezifischen Einbau fremder Gene muss das Genom zunächst durch eine Endonuklease an der festgelegten Stelle zerschnitten werden. Besonders schnell und günstig geht das mit der CRISPR-Cas9-Technologie. Bei dieser vom Science Magazin zum Durchbruch des Jahres 2015 ernannten Genome Editing-Methode navigiert eine beigefügte RNA die Endonuklease Cas9 zur Zielsequenz. Diese „guide RNA“ kann von Forscherinnen und Forschern sehr einfach beliebig angepasst werden, um eine Vielzahl unterschiedlicher Sequenzen ansteuern zu können.

Arbeiten mit mRNA statt mit DNA

Jahrelang stützten sich Forscherinnen und Forscher auf die Möglichkeiten, die DNA bietet. Seit einiger Zeit ist aber auch ihr einzelsträngiges Schwesterchen hoch im Kurs: die mRNA. Diese wird natürlicherweise im Körper gebildet, sie ist ein Zwischenschritt auf dem Weg von DNA zu Protein. Ihre Kurzlebigkeit und Anfälligkeit gegenüber RNasen, also Enzymen, die RNA abbauen und quasi überall sind, machten sie jahrelang schwer zu handhaben. Inzwischen hat man aber Mittel und Wege gefunden, mit ihr umzugehen, ja sogar sie zu stabilisieren, und weiß ihre Vorzüge zu schätzen. Die Vorteile liegen auf der Hand: das einsträngige mRNA-Molekül ist kleiner als DNA und muss zudem nur den Weg bis in die Zelle schaffen, nicht auch noch in den Zellkern hinein.

Therapie und Vorsorge

Die Gentechnik kann neben der Behandlung auch zur Diagnose von Erkrankungen und genetischen Defekten beitragen. So lässt sich beispielweise mit Hilfe von sogenannten DNA-Chips testen, ob eine Patientin ein erhöhtes Risiko für erblichen Brustkrebs aufweist4. Mit ähnlichen Chips ist es auch möglich, Genvarianten festzustellen, die jeweils eine unterschiedliche schnelle Umsetzung des zu verabreichenden Medikaments voraussagen.

Das Deutsche Museum hat in seiner Sammlung die Anfänge dieser sogenannten Chip-Microarray-Technik gesammelt. Mit Hilfe dieses Chips kann festgestellt werden, ob ein Medikament sehr schlecht, durchschnittlich, schnell oder übermäßig schnell verstoffwechselt wird. Die Dosis des Medikaments wird auf die ermittelte Genvariante abgestimmt.

Es lässt sich nicht bestreiten, dass die Gentechnik inzwischen eine wichtige Rolle für die medizinische Versorgung einnimmt, denn sie bildet die Grundlage für zahlreiche innovative Medikamente, Therapien und Vorsorgeformen. Mit Hilfe der CRISPR-Cas9-Methode lässt sich DNA beispielsweise gezielt zuschneiden und anschließend verändern. Dieses gentechnische Verfahren ist in nahezu allen lebenden Zellen und Organismen anwendbar. Dadurch ergeben sich neue Möglichkeiten für die Behandlung von Krebs und einer Reihe von Erbkrankheiten.

Die meisten der oben erwähnten Methoden und Exponate finden Sie ab sofort in der neuen Eingangshalle des Museums. Hier haben wir vor Kurzem eine Highlight-Ausstellung zu den wichtigsten Themen der Nano- und Biotechnologie eröffnet. Informieren Sie sich über Methoden wie Vervielfältigung von DNA mit der PCR-Methode und sehen Sie historische, aktuelle und nobelpreisgekürte Exponate zu diesen spannenden Themen.

Quellen

  1. Biotech-Report „Medizinische Biotechnologie in Deutschland 2023“, Boston Consulting Group, Verband forschender Arzneimittelhersteller e.V.
  2. Biotech-Report “Medizinische Biotechnologie in Deutschland 2020“, Boston Consulting Group, Verband forschender Arzneimittelhersteller e.V.
  3. https://www.vfa.de/de/arzneimittel-forschung/datenbanken-zu-arzneimitteln/atmp (Zugriff am 06.07.2023)
  4. https://www.igb.fraunhofer.de/de/forschung/virus-basierte-technologien/array-technologien/therapiebegleitende-diagnostik.html (Zugriff am 06.07.2023)

Autor/in

Margherita Kemper

Ist promovierte Biologin und zuständig für den Bereich Life Sciences. Dies umfasst nicht nur die spannende Sammlung an Laborgeräten sondern auch die Leitung des DNA-Besucherlabors im Zentrum Neue Technologien. Hier können Interessierte selbst an Laborgeräten unter Anleitung experimentieren und PCR, DNA-Isolation und Antigentests kennenlernen.

Ihr Tipp – Im Untergeschoss der neuen Eingangshalle finden Sie seit kurzem eine Highlight-Ausstellung zu aktuellen Themen der Nano- und Biotechnologie. Hier können Sie sich zu spannenden Themen wie PCR, Rasterkraftmikroskope oder über die Genschere CRISPR/Cas informieren.

Christine Kolczewski

Christine Kolczewski leitet das Zentrum Neue Technologien (ZNT) und ist Kuratorin für Nano- und Biowissenschaften. Neben der Betreuung und Aktualisierung der Sammlung und Ausstellung zur Nano- und Biotechnologie gehört auch die Entwicklung und Planung von Veranstaltungen zum Thema Neue Technologien zu ihren Aufgaben.

Außerdem leitet sie die Abteilung Ausstellungsprojekte Sonderausstellungen und ist Ansprechpartnerin für alle großen und kleinen Sonderausstellungen auf der Museumsinsel.

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