Direkt zum Seiteninhalt springen

von

Wissenswertes über Glimmer: Von der Entstehung über die Nutzung bis zur Politikgeschichte hinter dem organischen Wunderstoff.

Glimmer ist die Bezeichnung für eine Mineraliengruppe, die durch einen Vulkanausbruch entsteht. Die glühende Lava hinterlässt einen Stoff, der eine Grundlage für die gesamte Elektrotechnologie darstellt. Strom und Elektrizität stellen einen wichtigen Ausgangspunkt der Industrialisierung dar, sind jedoch auch gefährlich: Elektrizität erzeugt Hitze, Funkenflug und elektrische Spannungen, die Menschen töten können. Elektrotechnik unterteilt sich Energie- Stromerzeugung und Stromversorgung sowie dem Apparatebau. Von Motoren über Generatoren bis zur Elektronik und elektronischen Bauteilen benötigt die Technologie einen Stoff, den Isolator, damit sie gefahrlos nutzbar ist. Ohne diesen Stoff würden Smartphones schmelzen, Batterien explodieren und Kabel brennen. Glimmer sorgt dafür, dass all das nicht passiert- sogar wenn ein Smartphone in der Sonne liegt.

In der Elektronik wurde Glimmer für Elektronenröhren verwandt- die ersten Steuerungsbauteile, mit denen Maschinen gesteuert und erste Computer betrieben werden konnten. Röhren waren die Bauteile von Flugzeugsteuerungen, Bildschirmen und Radios- und Glimmer war ihr Isolator, mit dem eine sichere Anwendung möglich war.

Glimmer sind bunt schimmernde Minerale, die aus geschichteten Silikaten bestehen.

Dieser bemerkenswerte Stoff konnte durch ein Forschungsstipendium (Scholar in Residence) am Forschungsinstitut des Deutschen Museums erstmals genauer betrachtet werden. Im Archiv des Deutschen Museums werden die vollständigen CIOS Berichte und viele weitere wichtige Dokumente aufbewahrt, die einen ganz neuen Blick auf die Materialforschung und den Glimmer in der Roh- und Werkstoffpolitik ermöglichen. Durch die umfassende Unterstützung durch Archiv, Bibliothek und meinen Betreuer - an dieser Stelle einen sehr herzlichen Dank an Dr. Frank Dittmann- wurden mir die Dimensionen des Themas deutlich. Rohstoffmangel und Autarkiefantasien lassen sich nicht miteinander vereinbaren aber konsequent interdisziplinäre Wege in der Forschung bedeuten neue Verfahren in immer neuen Materialien, die je nach Zweck neu komponiert werden- beispielsweise das „Compounding“ von Stoffen. Ein durch viele Informationen wundgedachtes Hirn kann sich immer erholen- bei netten Gesprächen im Café, im Institut und am Rande der Vortragsreihen. Forschung hat oft äußerst schwierige Bedingungen- im Deutschen Museum sind sie ideal- durch die wunderbare Betreuung auch durch die Unterstützung des Instituts, vor allem durch M.A. Andrea Walther - und die Unterstützung des Leiters des Forschungsinstituts- Prof. Helmuth Trischler. Ihnen sind meine Ergebnisse gewidmet. Ein Wehmutstropfen ist die Wohnsituation im Sommer- rechtzeitig auf Zimmersuche gehen.

Frühe Elektroindustrie

Glimmer sind bunt schimmernde Minerale, die aus geschichteten Silikaten bestehen. Doch nur Muskovit und Phlogopit weisen alle notwendigen Eigenschaften auf: stabil aber biegsam, dehnt sich auch bei Hitze nicht aus, widersteht Wärme, Nässe und Gift, hält alle elektrischen Spannungen aus und sogar Strahlung. Leider befinden sich die Minen, in denen Glimmer per Hand und Gesteinshammer abgebaut werden, weit überwiegend in Indien, China, Russland, Zentral- und Südafrika oder den beiden Amerikas. Die frühe Elektroindustrie bemühte sich um Rohstoffsicherheit, also um eigene Minen in den jeweiligen Ländern. Das Rennen um Rohstoffe, Anteilen an Minen (und Minenarbeitern) begann und wurde mit allen Mitteln der Kolonialmächte ausgetragen- See- und Handelsblockaden, Einfrieren von Geldern und Einreiseverbote. In den Ländern selbst wurde der Abbau notfalls auch mit militärischer Gewalt sichergestellt- die Geschichte Indiens, Afrikas, Chinas und Südamerika kennt zahlreiche Aufstände, Hungerrevolten, Revolutionen und Putsche, die durch erbitterte Kämpfe der Industriestaaten um Rohstoffe und billige Arbeitskräfte entstanden sind.

Not macht erfinderisch

Doch im ersten Weltkrieg geschah etwas bis dahin Undenkbares: Das Deutsche Reich wurde von Rohstoffen abgeschnitten und musste Ersatz finden. Also wurden Glimmer zermahlen und zu neuen Stoffen verbaut- die Glimmersynthese entstand. Glimmer kam per Schiff im Deutschen Reich an und wurde in Glimmerfabriken zu Ringen, Platten, Papier, Lacken und Harzen verarbeitet. Dabei entstand Staub- dieser Staub setzte sich in der Lunge fest und konnte Tuberkulose und Krebs erzeugen. Staublungen gelten bis heute als Berufskrankheit.

Mit der Glimmer-Synthese wurde der Rohstoff zermahlen und mit anderen Materialien verbaut, um ihn sparsam einzusetzen. Mit dem zweiten Weltkrieg wurde trotz intensiver Forschung die Rohstoff- Not noch größer- zwar konnte das Reich nach seinen erfolgreichen ersten Blitzsiegen auf die französischen Kolonien zurückgreifen und viele Länder hielten sich nicht an Boykotte oder Blockaden aber nach der Wende im zweiten Weltkrieg nach der Panzerschlacht bei Kursk in Russland konnten drei Alliierte – die Sowjetunion, USA und Britannien- jeden Nachschub kappen. Und mit Hilfe Senegals (Tirailleurs sénégalais- die französischen Kolonialbesatzungen standen zu Petain) - und der französischen Resistance konnten auch die Rohstoff-Lieferungen aus Afrika gestoppt werden. Doch Ingenieure, Chemiker und Physiker führten den Krieg weiter und suchten nach Lösungen.

Und so musste die vergleichsweise große Elektronenröhre von kleineren Steuerungsbauteilen abgelöst werden- die Halbleitertechnologie und mit ihr die Mikrotechnologie entstanden. Mit der Glimmersynthese, die die Elektroindustrie, Universitäten und die Kaiser-Wilhelm-Institute erforschten, entstanden neuartige Werkstoffe und Bauteile auf der Grundlage von Glasfaser, Kunststoffen wie Polyethylen und Glimmerbeschichtungen bis zu den Methoden des „Verpackens“ elektronischer Systeme. Damit stand am Ende des Krieges die Röhrentechnologie allmählich vor dem Aus. Doch Glimmer fand auch in Transistoren und Kondensatoren, als Ummantelung, Verbundwerkstoff oder integrierten Systemen auf der ganzen Welt seinen festen Platz.

Neue Technologien

Aus Glimmer entstehen ständig neue spannende Materialien und Technologien, elektronische Bauteile finden ihren Weg in immer neue Branchen- Automatisierung oder Roboter sind ohne solche elektronischen Steuerungselemente gar nicht denkbar. Doch wie spannend auch immer- auch synthetische Stoffe haben Rohstoffe als Grundlage. Wo der Glimmer in den elektronischen Bauteilen herkommt und wie er in den jeweiligen Bauteilen zu finden ist, lässt sich nur schwer rekonstruieren. Fest steht aber, dass Elektrotechnik, elektronische Bauteile und ihre Isolierstoffe ohne den Rohstoff Glimmer bei allen technologischen rasanten Entwicklungen nicht denkbar wären.

Mehr zur Ausstellung

Autor/in

Portrait Beate Winzer

Beate Winzer

Beate Winzer ist Politologin und Historikerin mit Schwerpunkt Medizin- und Technikgeschichte und erforscht aktuell Materialgeschichte. Dies umfasst nicht nur die spannende Sammlung an Haushaltsgeräten (Wasser kochen leichtgemacht) sondern vor allem Kondensatoren, Elektroröhren und Transistoren. In der Elektroausstellung aber auch in der Robotik Ausstellung Interessierte können versuchen herauszufinden, wo überall Glimmer versteckt ist.

Ihr Tipp für einen Besuch im Deutschen Museum: In fast allen Ausstellungen ist Glimmer ein existenzielles Mineral als Werkstoff. Anhand der Verarbeitung von Silicium in der Elektroausstellung kann ein Eindruck von Glimmer gewonnen werden.

Das könnte Sie auch interessieren: