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Wie aus einem Bleistift das Material der Superlativen wird

Graphen ist einer der interessantesten Stoffe im Bereich der Materialwissenschaften und Nanotechnologie. Seine einzigartigen Eigenschaften sind mit keinem anderen Material dieser Welt zu vergleichen. Besonders für die Halbleiter-Industrie und damit auch für die Herstellung von Mikrochips ist das bemerkenswerte Material von besonderem Interesse. Und auch andere Industrie-Zweige forschen und tüfteln am Einsatz von Graphen, z.B. für ultra-festes Garn, dass sogar einem Bewurf mit einer Axt standhält oder für das schwärzeste Schwarz der Welt, dass aus dreidimensionalen Objekten optische „schwarze Löcher“ macht.

Ein solch bemerkenswerter Stoff, darf natürlich in der neuen Highlight Ausstellung zum Thema Nano- und Biotechnologie im Deutschen Museum nicht fehlen.

In diesem Beitrag erzählen wir Ihnen, was Graphen eigentlich genau ist, was es so besonders macht, auf welch eigenartige Weise es entdeckt wurde und zeigen Ihnen einige kuriose Anwendungen.

Was ist Graphen eigentlich?

Graphen ist das dünnste Material, das wir bisher kennen. Es ist nur ein Kohlenstoff-Atom dick, also gerade mal 0,2 – 0,3 nm (Nanometer). Ein Nanometer ist ein Milliardstel Meter, also 1nm = 0.000 000 001 m. Oder anders ausgedrückt, um einen 1 nm dicken Papierstreifen zu erhalten, müsste man einen 1 cm dicken Streifen in 1000 Streifen schneiden und einen solchen dann nochmals in 1000 Stücke.

Man spricht daher bei Graphen auch von einem 2-dimensionalen Material, weil seine Höhe so verschwindend gering ist.

Reines Graphen besteht einzig und allein aus Kohlenstoff-Atomen, welche in einem Bienenwaben-Muster, also in Sechsecken, angeordnet sind. Legt man nun mehrere Schichten von Graphen übereinander erhält man Graphit, der Stoff aus dem unsere Bleistiftminen sind. Um eine Bleistiftmine von 16 cm Länge zu bauen, müsste man aber 100.000.000 Lagen Graphen mit dem Durchmesser der Mine übereinanderstapeln.

Was macht Graphen so besonders?

Doch was macht Graphen überhaupt so besonders? Die Dicke, oder besser gesagt Dünne, haben wir bereits angesprochen. Damit nicht genug: Im Verhältnis zu seiner Dicke ist Graphen das stärkste Material der Welt, etwa 100 Mal so stark wie Stahl einer vergleichbar dünnen Lage. Ein Quadratmeter Graphen zu einer Hängematte geformt könnte also theoretisch das Gewicht einer Katze locker tragen. Nur könnte das Tier die Hängematte wohl nicht sehen, denn Graphen ist nahezu 100% lichtdurchlässig. Gas hingegen kann das engmaschige Kohlenstoff-Netz nicht passieren. Doch Graphen hat noch mehr besondere Eigenschaften:  es ist ein extrem guter Leiter von Strom (bis zu 1,6 Mal so gut wie Kupfer vergleichbarer Stärke) und Wärme (ca. 10 Mal so gut wie Kupfer). Für Forschende weltweit ist Graphen das reinste Wundermaterial, weil es sich gezielt manipulieren lässt. Werden z.B. einzelne Kohlenstoff-Atome durch andere Atome, wie Stickstoff ersetzt oder komplett aus der Struktur entfernt, ändern sich die Eigenschaften von Graphen. Ebenso eröffnet eine Beschichtung mit anderen Molekülen völlig neue Merkmale und Besonderheiten. Die elektrische Leitfähigkeit von Graphen lässt sich ebenso verändern. So kann es von einem Supraleiter (Graphen leitet quasi widerstandslos Strom) zu einem Halbleiter modifiziert werden. Halbleiter sind Materialien, die den angelegten Strom nur unter besonderen Bedingen leiten, z.B. bei präzise festgelegten Spannungen (Volt). Das ist besonders für den Einsatz bei Mikrochips interessant, da dort genau diese Eigenschaft benötigt wird. Durch die geringe Größe des Materials sorgt Graphen vor allem im Bereich der Nanoelektronik für Aufsehen.

Mit Klebestreifen zum Nobelpreis

Lange Zeit dachte man, dass Graphen nicht existieren könnte, da auf einem komplett flachen Graphen die atomaren Wechselwirkungen zu stark wären und das Graphen „zerbrechen“ würde. Tatsächlich liegt Graphen aber in einer gewellten Form vor, dem sogenannten wavy-graphen, wodurch dieses Problem ganz natürlich behoben wird.

Doch wie wurde Graphen eigentlich entdeckt? Das haben 2004 Andre Geim und Konstantin Novoselov mit einem genialen Trick geschafft: Sie klebten ein Stück Klebestreifenauf ein Stück Graphit-Gestein und zogen den Film ab. Dabei blieben einige 1000 Schichten Graphen am Klebestreifen hängen. Auf diese Flocke klebten sie erneut ein Stück Klebestreifen, zogen ihn ab und wiederholten den Vorgang so lange, bis nur noch sehr dünne Flocken auf dem Film zurückblieben. Die Flocken wurden auf ein Silizium-Plättchen übertragen und nach eifriger Suche unter dem Lichtmikroskop konnten Geim und Novoselov tatsächlich Graphen-Flocken entdecken. Für diese Leistung erhielten die beiden Wissenschaften den Nobelpreis für Physik 2010.

Kuriose Anwendungen

Heutzutage wird Graphen nicht mehr mithilfe von Klebestreifen gewonnen, sondern durch Kristallisierung erzeugt. Hierfür wird heißes, kohlenstoffhaltiges Gas über ein Trägermaterial geleitet. Die Kohlenstoffatome lagern sich geordnet auf dem Träger ab und bilden Graphen.  Trotz vieler Jahre Forschung und Millionen von Euro und Dollar Forschungsgeldern weltweit bleibt eine Massenanfertigung im Industriemaßstab und mit größeren Flächen leider immer noch eine Wunschvorstellung.

Dennoch kann man aus Abkömmlingen des Graphen bereits viele spannende und kuriose Dinge machen. Z.B. ist es gelungen das schwärzeste Schwarz der Welt anzurühren. Die Hersteller nutzen dabei u.a. den Einsatz von Kohlenstoffnanoröhrchen, also röhrenförmiges Graphen. Bemalt man Gegenstände mit dieser Farbe, verlieren sie nahezu jegliche Oberflächenstruktur, da die Farbe Licht zu fast 100% absorbiert. Die Gegenstände sehen aus dem richtigen Blickwinkel dann nur noch wie eine schwarze Fläche aus und werden vor einem schwarzen Hintergrund nahezu unsichtbar. In der neuen Highlight-Ausstellung Nano- und Biotechnologie im Deutschen Museum haben wir eine Eulen-Figur mit einer der schwärzesten schwarzen Farben bemalt und nun also auch ein kleines schwarzes Loch im Museum stehen.

Eine andere Gruppe von jungen Forschern hat aus Kohlenstoff-Nanoröhren (also röhrenförmigen Graphen) ein Garn und einen Film entwickelt, der selbst dem Bewurf mit einer Axt durch einen professionellen Axtwerfer standhält. Doch auch hier braucht es noch Geduld, bis die beiden Materialien in einem so großen und langen Maßstab hergestellt werden können, dass sie z.B. Drahtseile ersetzen könnten. Bis es soweit ist, können Sie Garn und Film demnächst schon mal in unserer neuen Ausstellung bewundern, wo wir übrigens auch das hochwissenschaftliche Experiment mit dem Axtbewurf für Sie als Video bereitgestellt haben.

Autor/in

Andrea Greiner de Herrera

Andrea Greiner de Herrera ist Biologin und arbeitet seit 2015 am Deutschen Museum im Fachbereich Nanotechnologie. Dort war sie auch als Doktorandin im gläsernen Forscherlabor, sozusagen als lebendes Exponat, zu Gange und beschäftigte sich hauptsächlich mit Graphit und Graphen. Aktuell ist sie ihm Team für die Neugestaltung der Ausstellung Nano- und Biotechnologie tätig.

Ihr Tipp für einen Besuch im Deutschen Museum: Gehen sie als allererstes in eine Ausstellung, die sie vom Thema her vielleicht erstmal nicht zu ihren Favoriten zählen würden. Ich bin sicher, dass sie hier viele spannende neue Dinge entdecken werden, die Sie gar nicht erwartet hätten.