„Anfangs ist es so etwas wie ein gigantisches Puzzle“, sagt Charlotte Holzer. Die Stoffteile aus Baumwolle müssen an genau die Stellen, wo sie hingehören. Die Flügel des Gleiters liegen ausgebreitet vor Holzer auf zwei großen Tischen. Sie arbeitet in einem abgetrennten Raum der Flugwerft, an dem der Gleiter vor Licht geschützt und der per Klimaanlage auf 18 Grad heruntergekühlt ist. „Das ist gut für das Exponat, aber auf die Dauer etwas kalt für uns“, lacht Holzer. Sie arbeitet mit zwei Restauratoren-Kollegen zusammen – Quirin Küchle ist für das Holz, Mathias Winkler für die Metallteile des Gleiters zuständig. Der Stoff wird gereinigt, Drähte kommen wieder an die Stelle, an der sie von Lilienthal ursprünglich zur Befestigung vorgesehen waren. Zwei Jahre soll die Restaurierung dauern – dabei geht es vor allem um die Frage, wie man den Gleiter ausstellbar macht. Welche Belastung verträgt der Stoff, wie viel die Weidenruten?
Holzer ist Textilrestauratorin – sie hat bereits mit Bravour das Glasfaserkleid des Deutschen Museums restauriert. Jetzt wartet eine noch größere Aufgabe auf sie. „Vor etwa einem Jahr habe ich den Gleiter zum ersten Mal gesehen. Er hat mich gleich fasziniert.“ Zusammen mit ihren Kollegen weckt sie das Exponat aus seinem Dornröschen-Schlaf. Jahrzehntelang hatte der Gleiter im Depot gelegen. Nach Lilienthals frühem Tod kam der Flugapparat 1906 ins Deutsche Museum und war bis in die frühen 1940er Jahre dauerhaft ausgestellt. Er litt unter der Sonneneinstrahlung und den Klimaschwankungen in der Luftfahrthalle. Der Bombardierung des Museums entging er – er war vor den Bombennächten 1944 ins Depot geschafft worden. Dort wurde er unter unzulänglichen Bedingungen aufbewahrt und verfiel binnen weniger Jahre. Seitdem ist er nie wieder ausgestellt worden – bis auf das Gestellkreuz aus Holz und Metall, in dem Lilienthal früher hing und per Gewichtsverlagerung den Flügel steuerte. Das liegt heute in einer Vitrine in der Flugwerft. Sowohl in der Flugwerft als auch auf der Museumsinsel stellt das Museum derzeit nur Nachbauten des Gleiters aus.