Auf dem Weg in die Sonderausstellung kommen wir durch einen Verbindungsgang mit Lichtinstallationen. Für mich sind die farbigen Lichtwechsel faszinierend, verändern sie doch meine Wahrnehmung auf die Bilder auf den Leinwänden. Marga* jedoch, deren Sehen sehr eingeschränkt ist, verwirren die ständig wechselnden Lichtverhältnisse und sie fühlt sich unwohl.
Beim Betreten der Ausstellung kehrt das Lächeln auf ihr Gesicht zurück. Das ausstellungseigene Café verströmt einen angenehmen Kaffeeduft und nach dem kühlen Gang fällt Marga auf, wie angenehm warm der Raum ist.
Als Melanie Jahreis ansetzt, um mit der Führung zu beginnen, ertönt ein durchdringendes Schiffshorn. Ein Verweis auf die großen Schiffe, die im Hamburger Hafen anlegen und Kaffee abladen. Sandra und Wolfgang zucken bei dem Klang zusammen. „Was ist denn da so dermaßen laut und störend?“, fragt Sandra. Was ich als Hintergrundgeräusch nur nebenbei wahrgenommen habe, überträgt die FM-Anlage als lautes Störsignal auf die Hörgeräte.
Schon bevor die eigentliche Führung beginnt, bekomme ich ein neues Verständnis dafür, wie Geräusche und Lichtverhältnisse wirken können, negativ wie positiv. Was für die Einen eine nette Klangkulisse ist, kann für die Anderen ein extrem störender Ton sein.
Während des Rundgangs erfahren wir, wie hoch eine Kaffeepflanze werden kann, wo Kaffee angepflanzt und wie er verarbeitet wird. Zusätzlich zu den Ausführungen von Melanie Jahreis können die TeilnehmerInnen die Fakten immer wieder an Tastmodellen erfühlen, an Riechstationen erschnuppern oder an Multimediatischen vertiefen.
Der Rundgang ist weniger eine monologartige Führung als ein offener Dialog. Immer wieder wird nachgehakt, ausgefragt und von eigenen Erfahrungen erzählt. So zum Beispiel an den Vitrinen mit verschiedenen Trinkgefäßen. Melanie Jahreis zieht verschiedene Kaffeebecher und -tassen aus ihrer Tasche, darunter auch eine braune Espressotasse aus Kaffeesatz. Marga ist sofort begeistert von dem angenehmen Kaffeeduft, den das Geschirrstück verbreitet. Eine Tatsache ist für sie jedoch wichtiger als alles andere: Die Tasse geht nicht kaputt, sollte sie einmal herunterfallen. „Dass etwas runterfällt, kommt schon mal vor, wenn man Einschränkungen im Sehen hat. Da ist so eine Tasse genau das Richtige“, übersetzt Birgit Margas Kommentar für die Anderen.
Die Einladung zur Interaktion und die Angebote an alle Sinne begeistern nicht nur Gäste wie Sandra, Marga und Wolfgang, die so viel Wissen wie möglich aufsaugen möchten, ohne dabei immer auf die Hilfe anderer angewiesen zu sein. Große Buchstaben, Braille-Schrift und helles Licht bieten gemeinsam mit vielen interaktiven Stationen die besten Voraussetzungen für einen barrierefreien Museumsbesuch. Für mich war es extrem spannend, diese andere Perspektive der Wahrnehmung mitzuerleben. Aus meiner Sicht kann ich ergänzen: So eine Ausstellung für alle Sinne kommt bei Leuten mit und ohne körperliche Einschränkungen sehr gut an
* Namen von der Autorin geändert