
Tatjana Dietl
Tatjana Dietl ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Luftfahrt und arbeitet derzeit an der Neugestaltung der Ausstellung „Historische Luftfahrt bis 1918“.
von Tatjana Dietl
Die erste deutsche Fliegerin Melli Beese bot ab 1912 die „Beese Taube“ aus eigener Produktion zu einem damals recht günstigen Preis von 12.000 Mark an. Bild: Bundesarchiv, Bild 183-R20273
Die in der Regel als Zweisitzer gebaute Maschine wurde und wird noch heute aufgrund ihrer charakteristischen Form (ähnlich einem Vogel) allgemein als „Taube“ bezeichnet. Sie ist in den Jahren 1910 bis 1915 zu einem der erfolgreichsten und am weitesten verbreiteten Flugzeugtypen im deutschsprachigen Raum geworden. Über 500 Stück wurden in zahlreichen Varianten bis in den Ersten Weltkrieg hinein gebaut.
Die bekanntesten Piloten auf der stabilen und verlässlichen „Taube“ waren Hellmuth Hirth, Alfred Friedrich, Hans Vollmoeller, Gunther Plüschow sowie die Pilotin Melli Beese. Sie alle gewannen viele Preise und konnten eine Anzahl beachtlicher Rekorden aufstellten.
Nicht nur in der zivilen Luftfahrt waren diese Maschinen in Einsatz. Das Militär nutze sie schon früh als Schul- und Aufklärungsflugzeuge. Sie waren aber auch die ersten Flugzeuge, von denen aus 1911 Bomben auf Menschen abgeworfen wurden.
Mit Beginn des Ersten Weltkrieges bestand die Hälfte der Deutschen Fliegertruppen aus Flugzeugen vom Typ „Taube“. Als jedoch für den Lufteinsatz Geschwindigkeit und Manövrierbarkeit an Bedeutung gewannen, wurde die Stabilität im Fluge weniger wichtig, sodass die „Taube“ ab Dezember 1914 nicht mehr an der Deutschen Front eingesetzt wurde. Wendigere Modelle mit Bewaffnung lösten die Maschine ab und sie wurde lediglich noch zur Ausbildung von Piloten eingesetzt.
Die „Taube“ in der damaligen Ausstellung „Luftschiffahrt“ des Deutschen Museums in der Zweibrückenstraße. Bild: DMA, BN 1250
Schon wenige Jahre nach seiner Gründung begann das Museum eine eigene Luftfahrtsammlung aufzubauen, die bis dahin hauptsächlich von der Thematik „Ballone“ und „Luftschiffe“ beherrscht war.
Unsere „Taube“ kam im Dezember 1911 als erstes Motorflugzeug mit der Rumpfbemalung „Rumpler Berlin“ in die Sammlung und wurde in den provisorischen Räumen der ehemaligen Schwere-Reiter-Kaserne in der Zweibrückenstraße ausgestellt. Die in München und Berlin ansässige Firma „Kathreiners Malzkaffee-Fabriken GmbH“ stiftete sie dem Museum.
Pilot Hellmuth Hirt (hinten) mit dem Fahrgast Alfred Dierlamm nach dem erfolgreichen München-Berlin-Flug am Morgen des 30. Juni 1911. Bild: DM, L_2019_1
Mit diesem Flugzeug gelang es dem Piloten Hellmuth Hirth im Juni 1911 den mit 50.000 Mark dotierten „Kathreiner-Preis“ zu gewinnen. Dieser Flugpreis wurde von der Kaffeefirma „Kathreiners“ ausgeschrieben für den ersten erfolgreichen Flug von München nach Berlin innerhalb von 36 Stunden. Die reine Flugzeit der „Taube“ für die 540 km lange Strecke betrug knapp sechs Stunden. Die Maschine war also schneller als die Eisenbahn, das damals noch schnellste Verkehrsmittel.
Hirth forderte vor dem Start den Münchner Kunstmaler Emil Kneiß scherzend auf, etwas zur „Dekoration“ der „Taube“ beizutragen. Kneiß zeichnete daraufhin mit einem Kohlestift auf die eine Seite des Rumpfendes einen Hofbräuhaus-Besucher mit Maßkrug in der Hand, der mit erstauntem Gesicht ausruft: „ah! da zieht’s.“ Auf der anderen Seite erklärt eine vergnügte Münchnerin: „So a Tassl Kathreiner hilft ein’m über alles weg“.
Die Zeichnungen von Emil Kneiß wurden bei der letzten Restaurierung der Etrich-Rumpler Taube 1992 erneuert.
„Sölbstbordred“ vom späteren „Buzi-Maler“ Emil Kneiß aus dem Jahr 1894. Bild: Sammlung Hermann Kurz
Der Karikaturist, Illustrator und Maler Emil Kneiß wurde am 3. Dezember 1867 in Frankfurt am Main geboren. 1872 zog die Familie wieder nach München, wo der Vater schon 1864 als Sänger am Hoftheater gewirkt hatte. Emil wurde in den folgenden Jahren zu einem Urmünchner und prägte das gesellschaftliche Leben dieser Stadt bis zu seinem Tod am 22. März 1956.
Die Schaffenskraft des (fast) vergessenen Münchners war enorm, etwa 1.700 Zeichnungen sind bekannt. Er war sehr am Thema Mobilität interessiert und veröffentlichte u.a. in den Zeitschriften Radfahr-Humor, Der Reiseonkel und Das Schnauferl.
Die Mehrzahl der heute selbstverständlich verwendeten Geräte wurde im Laufe des 19. Jahrhunderts erfunden und begeisterte das Münchner Bürgertum. Emil Kneiß begleitete diese bahnbrechenden Erfindungen mit seiner Feder und zog sie buchstäblich durch den Kakao. Neben dem Fahrrad und Automobil wurden auch die Entwicklungen der Luftfahrt von ihm karikiert.
Kneiß arbeitete unter anderem auch an Humor-Postkarten, Plakaten, Reklameanzeigen, Wandbildern, Festschriften und Trickfilmen. Er schuf das Maskottchen des Bräustüberls am Tegernsee, den Hund „Buzi“ und sein Herrchen, die dort auf einem Wandbild zu sehen sind.
Doch warum heißt unser Flugzeug „Etrich-Rumpler Taube“ und besitzt die Rumpfbemalung „Rumpler Berlin“? Warum präsentierte sich die „Taube“ um 1942 mit der Bemalung „Etrich Berlin“ und nach dem Zweiten Weltkrieg ohne jegliche Aufschrift und ohne die beiden Karikaturen? Diese Fragen werden im zweiten Teil der Objektgeschichte beantwortet.