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Wer aufmerksam durch das Deutsche Museum läuft, wird sie bestimmt entdecken: Die fünf noch verbliebenen Porträtgemälde, die in der zentralen Rotunde im Ehrensaal präsentiert werden. Dieser Saal erinnert mit seinen großformatigen Bildnissen von Joseph von Fraunhofer (1787–1826), Robert Bunsen (1811–1899), Gottfried Wilhelm Leibniz (1646–1716), Carl Friedrich Gauß (1777–1855) und Otto von Guericke (1602–1686) an die frühere Ausstellungspraxis. Denn schon in den provisorischen Räumlichkeiten des Museums sowie im 1925 eröffneten Neubau auf der Kohleninsel wurden nicht nur Objekte gezeigt, sondern auch die Persönlichkeiten gewürdigt, die hinter den jeweiligen Erfindungen und Errungenschaften standen. Frühzeitig wurde eine Porträtsammlung angelegt von deren Existenz und großem Potenzial jedoch nur die Wenigsten wissen. Dies ändert sich zukünftig, denn mit erfolgreichem Abschluss des auf drei Jahre angelegten Projekts „DigiPortA“ („Digitalisierung und Erschließung von Porträtbeständen in Archiven der Leibniz-Gemeinschaft“) fiel auch der Startschuss für das Digitale Porträtarchiv DigiPortA

Auf diesem Portal werden umfangreiche Metadaten und hochaufgelöste Digitalisate der Porträts für interessierte Nutzer und Wissenschaftler bereitgestellt. Insgesamt sind rund 33.000 Porträts recherchierbar, denn unter der Federführung des Archivs des Deutschen Museums haben sich neun renommierte Einrichtungen zusammengeschlossen, um ihre Porträtbestände gemeinsam online zu stellen, wie beispielsweise das Montanhistorische Dokumentationszentrum (montan.dok) beim Deutschen Bergbau-Museum Bochum, das Deutsche Kunstarchiv im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg und das Bildarchiv und die Dokumentesammlung des Herder-Instituts für historische Ostmitteleuropaforschung in Marburg.

Porträts im Deutschen Museum

Neben der Objektsammlung wurde am Deutschen Museum schon von Beginn an ein umfassender Porträtbestand zusammengetragen. Dieser wuchs stetig, von 120 Porträts im Jahr 1905 auf 5.000, die im Jahresbericht von 1917/1918 Erwähnung finden. Heute lassen sich etwa 12.000 Porträts im Archiv nachweisen, sowohl Druckgrafiken ab dem 16. Jahrhundert, als auch Fotografien seit der Frühzeit dieses Mediums sowie Ölgemälde und einige wenige Zeichnungen. Von der ursprünglichen Ausstellungskonzeption mit ihrer besonderen Würdigung hervorragender Techniker und Naturwissenschaftler wurde jedoch ab der Zeit des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg zunehmend Abstand genommen.

Die Porträts wurden zwar weiterhin aufbewahrt, jedoch immer seltener ausgestellt. Lange Zeit lagerten sie gut geschützt, doch wenig beachtet, in speziellen Archivschachteln. Dank des Digitalen Porträtarchivs DigiPortA treten sie nun zumindest virtuell wieder ans Licht der Öffentlichkeit. Mit nennenswerten Vorteilen: Die Originalblätter bleiben unbeschadet, da sie nur noch selten hervorgeholt werden müssen, während das hochaufgelöste Digitalisat jederzeit online verfügbar ist. Eine Zoom-Funktion erlaubt dabei die Betrachtung auch kleinster Details. Darüber hinaus können nun offene Fragen, beispielsweise zu Stiftern oder Vorbesitzern des Blattes, geklärt werden. Auch die Zugehörigkeit zu übergeordneten Sammlungen wird deutlich, wie der Sammlung des Botanikers und Professors der Pharmakognose Gregor Konrad Michael Kraus (1841–1915), die über 1300 Porträts umfasst.

Sammlungsbestände aus neun Archiven der Leibniz-Gemeinschaft

Der interessierte Nutzer oder Forscher kann im Digitalen Porträtarchiv DigiPortA mit nur wenigen Mausklicks auf die Porträtsammlungen von gleich neun bundesweit verstreut liegenden Archiven der Leibniz-Gemeinschaft zugreifen. Für das gemeinsame Portal wurden die Metadaten der Projektpartner nach einem einheitlichen Kriterien- und Beschreibungskatalog erfasst und mit zahlreichen Normdaten versehen. So können beispielsweise, je nach Forschungsfrage oder Interesse, die Namen von Dargestellten oder Künstlern, Fotografen oder Verlagen recherchiert werden: Im Ergebnis erscheinen die Treffer aus allen neun Archiven. Aufnahmen bekannter Persönlichkeiten durch den Fotografen Nadar (1820–1910), der in Paris bereits 1854 sein Atelier eröffnete, sind ebenso zu finden wie Porträts des Physikers Albert Einstein (1879–1955), der Mathematikerin Maria Gaetana Agnesi (1718–1799) oder der ersten professionellen Ballonfahrerin Sophie Blanchard (1778–1819).

Berufe in Porträtdarstellungen

Eine besondere Rolle spielen beim Digitalen Porträtarchiv DigiPortA die Berufe der Dargestellten, da die Porträtsammlungen der Projektpartner entsprechend ihres jeweiligen thematischen Schwerpunkts angelegt wurden. Aus dem Archiv des Deutschen Museums stammen beispielsweise zahlreiche Bildnisse von Ingenieuren und Technikern, wie das des Siegmund Strauß, der an einem Tisch mit technischen Zeichnungen sitzt. Vom Archiv des Deutschen Schifffahrtsmuseums Bremerhaven wurden Porträts von Seeleuten ins Projekt eingebracht und vom Montanhistorischen Dokumentationszentrum (montan.dok) Bildnisse von Bergleuten. Das Besondere an diesen Sammlungen: Sie sind nicht, wie andere Zusammenstellungen dieser Art, elitenspezifisch geprägt, sondern integrieren erstmals auch Personen aus dem Bürgertum und der Arbeiterschaft. In der Sammlung des Archivs für Geografie am Leibniz-Institut für Länderkunde in Leipzig beispielsweise entdeckt man eine Fotografie des Bootsmanns und Kochs Karl Klück, mit gebräuntem Gesicht, kräftigen Händen und einem angegrauten Oberteil mit hochgekrempelten Ärmeln, einen dicken Farbpinsel in der linken Hand und ein Werkzeug in der Hosentasche. Es scheint, als halte er nur für den Fotografen einen Moment bei seiner Arbeit inne. Mit solchem Bildmaterial samt wissenschaftlich recherchierter Metadaten befördert das Digitale Porträtarchiv DigiPortA neue soziohistorische Untersuchungen, denn viele Dargestellte und Gesellschaftsgruppen waren bislang nicht mit ihren Porträts und zugehörigen Angaben greifbar.

Objektbezogene Recherchen

Für viele Berufe spielen bestimmte Objekte eine Rolle, weshalb einige der Porträtierten mit einem für sie und ihre berufliche Tätigkeit bedeutsamen Artefakt oder ihrer Erfindung abgebildet sind. Über das Digitale Porträtarchiv DigiPortA können solche Objekte ganz einfach mittels Volltextrecherche aufgefunden werden, wie beispielsweise der Globus, ein beliebtes Attribut auf Porträts von Geografen, Kartografen und Astronomen, oder der „Phonograph“ mit Elektromotor und Hörschläuchen von Thomas Alva Edison (1847–1931). Durch die Zoomfunktion können selbst kleinste Details in den Bildern betrachtet werden. Besonders für detailreiche Kupferstiche ist diese Möglichkeit zur Vergrößerung der Bilder äußerst nützlich, denn sie erlaubt es, die Namen beispielsweise von Inventor oder Kupferstecher, die oft sehr klein unterhalb des Bildes angebracht wurden, zu entziffern, oder Radierungen und Kupferstiche anhand der spezifischen Ausprägung der in die Platte geätzten oder geritzten Linien zu unterscheiden.
Es gibt im Digitalen Porträtarchiv DigiPortA noch sehr viel mehr zu entdecken. So wurden beispielsweise beschriftete und bedruckte Rückseiten digitalisiert, um sämtliche Information rund um das Blatt online zur Verfügung stellen zu können. Es wurden Provenienzen geklärt, Herstellungstechniken eines Blattes bestimmt oder Zuschreibungen an bestimmte Personen verifiziert. Diese Fülle an Informationen bereitet schon beim Stöbern Vergnügen und vielleicht liefert so manche Recherche nach eigenen Vorfahren einen Überraschungsfund. Vor allem aber ermöglicht und befördert das Portal mit seinen umfangreichen Metadaten tiefergehende Forschungen zur Porträt-, Sozial-, Technik- und Wissenschaftsgeschichte.

Weiterlesen:

  • digiporta.net: Das Digitale Porträtarchiv DigiPortA. 
  • Projektbeschreibung („Digitalisierung und Erschließung von Porträtbeständen in Archiven der Leibniz-Gemeinschaft“)

Autor/in

Fabienne Huguenin

Fabienne Huguenin ist wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Projekt DigiPortA. Portätmalerei ist einer der Forschungsschwerpunkte der Kunsthistorikerin. Das Thema ihrer Promotion lautet "Hässlichkeit im Portrait – Eine Paradoxie der Renaissancemalerei".

Ihr Tipp für einen Besuch im Deutschen Museum: In der Abteilung Meeresforschung fasziniert das minutiös gearbeitete Diorama eines Labors auf dem Forschungsschiff „Challenger“ (Expedition 1872–1876). Gleich daneben sind zum Teil behäbig wirkende Helmtaucherausrüstungen und Panzertauchanzüge zu sehen, die an frühere Tauchexperimente erinnern, wie sie auch der Ingenieur Wilhelm Bauer (1822–1875) durchführte: Eine Fotografie auf der Startseite von DigiPortA zeigt den kaiserlichen Submarine-Ingenieur vermutlich im Jahr 1863 anlässlich der Hebung des im Bodensee gesunkenen Dampfers „Ludwig“.