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Dass so mancher Einzeller in der Lage ist, Kristallisationen exakt zu steuern, ist in Zeiten von Nanotechnik und Bionik kein Geheimnis mehr. Doch wie groß das Potenzial dieser in Millionen von Jahren perfektionierten Nanotechnologie ist, lässt sich momentan nur erahnen. Das Rasterelektronenmikroskop in der Optikabteilung ist ein hervorragendes Instrument, um darzustellen, was auf unserem Planeten alles möglich ist. Es gibt sowohl tierische wie auch pflanzliche Einzeller die Silikate oder Kalk zum Aufbau ihrer Schalen und/oder Skelette verwenden. Hier ein paar Beispiele.

Der Coccolithophorid Emiliania huxleji, ein pflanzlicher Einzeller aus dem Plankton der Ozeane, baut sein Haus aus Calciumcarbonat. Modelle dieses bedeutenden Sauerstoffproduzenten findet man momentan in der Sonderausstellung <link 14913 - more>Anthropozän</link>. Hier wird unter anderem auf die Klimarelevanz dieser Algen hingewiesen.

Hier sehen sie eine Foraminifere, einen tierischen Einzeller, der mit Amöben entfernt verwandt ist. Es gibt viele Tausend verschiedene Arten dieser Organismen und mancherorts bestehen ganze Strände aus angeschwemmten Schalen dieser schönen Einzeller. Fortaminiferen sind bedeutende Sedimentbildner, die ihre artspezifischen Gehäuse aus Calciumcarbonat produzieren.

Diese Schalenamöbe habe ich auf Treppenstufen gefunden, die vom Deutschen Museum aus in die Isar führen. Sie baut die Schuppen für ihr Gehäuse aus Silicaten auf. Während einer Vorführung in der Optikabteilung konnte ich unter dem Mikroskop zeigen, wie schnell die Amöbe ihr Haus baut: Innerhalb von 15 Minuten war etwa die Hälfte des Gehäuses fertig.

Ebenfalls aus der Isar neben dem Deutschen Museum stammt diese an einen Sattel erinnernde Kieselalge. Die herrlichen Schalen dieser Algen bestehen aus Silicaten. Momentan bekannt sind etwa 6000 Arten, es werden allerdings ständig neue Formen gefunden.

Und nun zu meiner spannenden Entdeckung: Hier kommt ein Organismus, der sowohl Silicate als auch Calciumcarbonat verwendet, um sein sehr differenziert aufgebautes Gehäuse zu gestalten. Ich vermute, dass es sich hier um eine Goldalge handelt. Ein Sonnentierchen könnte es allerdings ebenfalls sein.

Die kugelige Schale besteht aus rund bis oval geformten Plättchen, davon abstehend sieht man lange und kürzere, trichterförmige Strukturen. 

In der 100 000fachen Vergrößerung sieht man deutlich die Segmentierung der Trichter. Die große Überraschung ergab dann die Elementanalyse mit dem EDX-Detektor am Rasterelektronenmikroskop. Die Platten im Untergrund hat die Alge bzw. das Sonnentierchen aus Silicaten und die Trichter aus Calcimcarbonat gefertigt. Es gibt also Einzeller die es verstehen, unterschiedliche Materialen zu verwenden. Das lässt auf sehr komplexe Fortschritte unserer Technik hoffen, wenn es der wissenschaftlichen Welt gelingt die umweltschonenden Nanoverfahren dieser Einzeller zu verstehen.

Die Welt der Einzeller ist immer wieder aufschlussreich und nach menschlichen Maßstäben verblüffend. Ich bin schon gespannt, was ich als nächstes in der Isar finden werde!

Autor/in

Klaus Macknapp

betreut seit 17 Jahren die Ausstellung Optik, in der es ums Auge, ums Sehen und um Licht geht - daher ist sie auch eine der dunkelsten im Museum. Klaus Macknapp hat sich vor vielen Jahren ins Reich des Unsichtbaren gewagt und arbeitet am Raster-Elektronen - und an Lichtmikroskopen. Sein Tipp für einen Besuch im Deutschen Museum: An den Mikroskopie-Führungen in der Abteilung Optik teilnehmen, um die schönsten und aufregendsten Kleinigkeiten zu erkunden – oder einen Mikroskopie-Workshop zu buchen. Die Auswahl der täglich kostenlos angebotenen Führungen und Vorführungen findet man täglich ab 9.00 Uhr auf der Website und auf dem Aushang im Eingangsbereich des Deutschen Museums. Den Workshop kann man über das Führungsbüro buchen.