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Praktische Schülerexperimente mit virtueller Unterstützung - Ein Erfahrungsbericht

Als wir an der Schule ankommen, ist es noch dunkel. In der Städtischen Berufsschule für Informationstechnik und Fachinformatik Systemintegration sind zwar vereinzelt Lehrkräfte, aber noch keine Schüler:innen zu sehen. Dabei werden die Jugendlichen heute die Hauptpersonen sein – sie erproben mit uns ein neu entwickeltes Unterrichtsmodul und wie sie dies beurteilen, darauf kommt es uns an.

Selbständig experimentieren, selbst praktisch mit realen Objekten arbeiten, das wollen wir ermöglichen, sei es für den Unterricht zuhause oder im Klassenzimmer. Während des coronabedingten Distanzunterrichts waren die Möglichkeiten, selbst Versuche durchzuführen, oft stark eingeschränkt oder gar nicht vorhanden – dabei ist es für Schüler:innen, gerade in der beruflichen Bildung, sehr wichtig, praktische Fertigkeiten einüben und erlernen zu können. Das Ziel des Projekts Hands-on Remote ist es, hands-on-Experimente für alle Unterrichtssituationen bereitzustellen, auch für das HomeSchooling.

Ein Prototyp im Test

Ein Jahr Entwicklung stecken im Prototypen, im interaktiven Begleitmaterial, in der Nutzung der Simulationsumgebung, in Beratungen mit Lehrkräften, im Ideen sammeln, austesten, verwerfen, neugestalten, erweitern, neu konzipieren und neu programmieren. Entsprechend gespannt sind wir, wie die Schüler:innen reagieren. In den Materialkits für die Jugendlichen befindet sich eine Drehscheibe, die als Miniaturausgabe einer Produktionsanlage dient – zugegebenermaßen ist zu Beginn viel Fantasie nötig, um die spätere Fertigungsanlage zu erkennen. Das Experiment ist aus einfachen Materialien zusammengestellt, um möglichst vielen Schulen eine Verwendung zu ermöglichen und die Nutzung zuhause zu vereinfachen.

Mit der Ampel fängt es an

Zum Einstieg in die noch ungewohnte Programmiersprache steuern die Jugendlichen zunächst die LEDs einer Ampel, die später als Status-Anzeige für die Produktionsanlage eingesetzt wird. Die Ampel gibt es sowohl real als auch virtuell – sodass die Jugendlichen auch bei einem möglichen Distanzunterricht zusammen online an ihrer Programmierung arbeiten und sich darüber austauschen können. Zu Beginn des Projekttags leuchten daher überall kleine LEDs – auf den Plätzen und auf den Monitoren. Und daneben ist jeweils der Mikrocontroller zu sehen, mit dem alles gesteuert wird – zuerst die LEDs, später auch die Drehscheibe und der gesamte „Produktionsprozess“.

Nun beginnen die Jugendlichen, verschiedene Bauteile zu bewegen: Sie programmieren mit Servo-Motoren Schwenkarme, die sich hin- und herdrehen wie Scheibenwischer. Gleich darauf drehen sich an zahlreichen Plätzen Zahnräder gegeneinander. Und als nächstes fügen die Teams das zentrale Element des ganzen Aufbaus hinzu: Mit einem Getriebemotor setzen sie ihre Drehscheibe in Gang – und nach etwas Tüftelei wird die Drehscheibe ihrem Namen und ihrer Funktion gerecht und dreht sich selbständig.

Jetzt wird die Programmierung komplexer

Nun werden die Herausforderungen größer. Bisher wurden nur einzelne Teile bewegt oder angesteuert. Nun transportieren die Jugendlichen mit der Drehscheibe einen Becher und lassen eine Kugel hineinfallen, wenn der Lichtsensor einen Becher erkennt. So wird die Funktion der Zahnräder klar: Mit ihnen lässt sich ein Dispenser regeln, der die Kugel nur dann durchlässt, wenn ein Becher erkannt wird. Ob der Becher wirklich dort steht, wo die Kugel hineinfällt, ist anders als bei einer echten Produktionsanlage nicht exakt vorgegeben – die Jugendlichen rücken daher eifrig Becher hin- und her, damit nicht lauter Kugeln durch den Raum kullern.

Im weiteren Verlauf kommt es noch zu ein paar Aha-Effekten – mit dem Schwenkarm lassen sich die Becher von der Drehscheibe befördern, ein blaues Pappteil dient als Eingangsrutsche und Zulauf für die Becher. Bei den Schüler:innen löst es große Begeisterung aus, mit dem eigenen Programm reale Objekte in Bewegung setzen zu können. Kaum zu glauben, dass es sich hier um ein Thema dreht, das sich so trocken anhört: Die objektorientierte Programmierung, die hier anhand von realen Objekten vermittelt werden soll. Für uns ist es schön zu sehen, wie die Teams sich freuen, wenn wieder etwas Neues funktioniert und aus ihren Drehscheiben mehr und mehr eine funktionierende Produktionsanlage wird.

Hands-on Remote - Video

Programmieren in der Praxis

Wie SchülerInnen der städtischen Berufsschule für Informationstechnik und Fachinformatik Systemintegration in München das Materialkit testen und damit eine funktionierende Produktionsanlage bauen.

Doch für uns gilt: Nach dem Unterricht ist vor dem Unterricht. Während wir für die ersten Tests im Klassenraum zu Gast waren, findet der nächste Test digital und remote statt – und wir sind gespannt, wie unser Modul unter diesen Voraussetzungen funktioniert.

Hands-on-Remote ist ein Gemeinschaftsprojekt der Abteilung Bildung des Deutschen Museums und des TUMlab zusammen mit europäischen Partnern aus Polen und Portugal. Gefördert wird das Hands-on-Remote Projekt von der EU in einem Erasmus+-Programm zur Reaktion auf die Covid-19-Pandemie.

Autor/in

Lorenz Kampschulte, Mike Kramler, Marion Pellowski und Miriam Voß

Lorenz Kampschulte, Leiter der Abteilung Bildung, hat das Erasmusplus-Projekt „Hands-on-Remote“ beantragt, hält den Kontakt zu den europäischen Partnern – dem Institut für Bildung der Universität Lissabon, Portugal, sowie dem Copernicus Science Centre in Warschau, Polen, und ist zugleich Leiter des gesamten Hands-on-Remote-Projekts.

Mike Kramler ist Ingenieur und hat die Mini-Produktionsanlage entwickelt, um die größere Fertigungsstraße aus dem TUMlab, dem Experimentierlabor der TU München im Deutschen Museum, in eine kleine programmierbare Einheit für zuhause und fürs Klassenzimmer zu verwandeln.

Marion Pellowski ist Diplom-Physikerin und hat vorn an der Ludwigsbrücke, in der TUMlab-Forum Didaktik-Werkstatt, die Mini-Produktionsanlage mit entworfen, zahlreiche, auch interaktive, Begleitmaterialien entwickelt und das Unterrichtskonzept auf die verschiedenen Unterrichtssituationen - remote und vor Ort - ausgerichtet.

Miriam Voß ist Projektleiterin des TUMlab bzw. der TUMlab-Forum Didaktik-Werkstatt, hat die Konzeption des Unterrichtsmoduls eng begleitet und entwickelte eine Unterrichtseinheit, um die Mini-Produktionsanlage und das Thema Automatisierung in einen sozialen Kontext zu setzen. So soll auch in der Bildung die Verknüpfung von Technik und Gesellschaft sichtbar werden, wie es der Idee der im letzten Jahr neu gegründeten Fakultät TUM School of Social Sciences and Technology entspricht, zu der die beiden TUMlabs gehören.

Unser Tipp für einen Besuch im Deutschen Museum: Ein Besuch der Ausstellung Werkzeugmaschinen, vor allem die moderne Werkzeugmaschine, welche die computergesteuerte Herstellung eines Haftmagneten zeigt. Wenn wir im TUMlab einen Automatisierungskurs haben, gehen wir dorthin.