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Ungereimheiten & Tollitäten – Willkommen in Schilda

Von Wolfgang Chr. Goede

„Kann Wissenschaft witzig? Komik und Kabarett in der Wissenschaftskommunikation.“ So heißt ein derzeit vom Lehrstuhl für Wissenschaftskommunikation der TU München veranstaltetes Seminar, das normalerweise im Seminarraum des Deutschen Museums (DM)  stattfinden würde - derzeit aber online stattfindet wg. Corona. Fokus ist das gleichnamige, soeben im Springer Wissenschaftsverlag erschienene Buch. 20 prominente Beiträgerïnnen aus Theorie und Praxis errichten darin dem Humor in der Wissenschaft eine Bühne.

Zum Seminarauftakt erschien Vince Ebert, Physiker und renommierter Wissenschaftskabarettist. „Lachen reißt Mauern ein“ heißt sein Buchkapitel. Eine Kostprobe lieferte er via Bildschirm-Show.


„Wenn die Glühbirne nicht erfunden worden wäre, müssten wir bei Kerzenlicht fernsehen“
(und zoomen!), witzelte er, und: „Ohm war der Begründer des deutschen Widerstands.“ Professor Dr. Wolfgang M. Heckl, DM Generaldirektor und Mitherausgeber des Buches, zitierte ergänzend Museumsgründer Oskar von Miller: „Im Museum darf jeder machen, was ich will“ – eine für 1900 revolutionäre Hands-on Erlebnispädagogik zu schaffen. Humor versetzte Mauern, damals schon.
 
„Witze ändern bei Zuhörenden die Perspektive“, erläuterte Ebert. Sie bringen das logisch-linear trainierte Großhirn ins Stolpern (a+b≠c). Sein Rettungsschirm ist Lachen, eine körperinterne „Explosion“, an der Hunderte Muskeln und wichtige Organe beteiligt sind (mitunter auch die Blase: Mitautor Suda). Lachen entstresst, setzt Hormon-Kaskaden frei, ähnlich wie der Orgasmus.
 
Ebert unterstrich, dass Wissenschaft und Bildung mit Humor ein sich ergänzendes Tandem bildeten, lange überfällig. Hirnforscher hätten bewiesen, dass ein vergnügtes Hirn leichter lerne (ebenso wie Späße von Klinikclowns die Heil- und Immunkräfte von Kranken stärken: Mitautor von Hirschhausen).
 
Ebert, der bereits im Herbst 2020 mit „Make Science Great Again“ im Museumshof gastiert hatte, rief auf zur Bildungswende. „Nicht das Was, also Fakten, sondern das Wie-wir-Lernen“, positiv-emotional unterfüttert, müsse Priorität in der Wissensgesellschaft haben. Dazu verweist Heckl auf die Macht des Storytelling. Von Geschichten gerahmte Vorlesungen stießen auf Riesenaufmerksamkeit.
 
Eberts Einführungsimpuls setzte Wolfgang Chr. Goede, Wissenschaftsjournalist und Buchmitherausgeber, mit den TUM Kommilitonïnnen interaktiv und partizipativ um. Dazu pitchte er drei Themenkreise.

Neue Hygiene-Standards á la Michael Jackson: Zum Husten in den Keller gehen—Sozial-Boni für 24x täglich Händewaschen—Ächtung virenschwangerer Taschentücher, dafür öffentlich vernehmliches Hochziehen von Nasenschleim (wie in einigen Ländern der Welt der gute Ton es will).



Post-Corona-Resterampe zu Modeaccessoires: Damen-BHs und Herrentangas aus Masken—Ehe- und Nasenringe aus Kanülen—Ganzkörperkondome aus Schutzanzügen!
 
Ungereimheiten & Tollitäten – Willkommen in Schilda: Bleichmittel in die Hausapotheke, aber wieviel Chlor tut uns gut, Mr Trump? Ausgebuchte Flugzeuge, bei Kino-/Theater-/Museumsverbot? Neuer Klassenkrampf, Ungeimpfte vs. Geimpfte?
 
In Teilgruppen entwickelten die Studierenden ad hoc einen Fächer humoriger Konzepte zwischen Witz, Kritik, Kabarett: Upcycling-Marketing-Knüller, Einwegfingerlinge mit trendig auflackierten Nägeln; börsennotiertes Startup, das den Lockdown in den Locktraum veredelt; Videosketch zum Seniorenkomplott für eine total verrentete Gesellschaft.

Das Seminar rund um humorvolle Wissenschaftskommunikation ist experimentell und wird von Buchmitherausgebern Prof. Wolfgang M. Heckl und Privatdozent Dr. Marc-Denis Weitze (alias MDW) geleitet. Für die Ausgestaltung gewannen sie namhafte Buchmitautoren wie Helmut Schleich. Zum Ende des Sommersemesters folgt hier im Blog das Resümee von MDW.

Eine Buchrezension erfolgte u.a. bei spektrum.de:
https://www.spektrum.de/rezension/buchkritik-zu-kann-wissenschaft-witzig/1869748

Kann Wissenschaft witzig? Wissenschaftskommunikation zwischen Kritik und Kabarett.
Weitze, Marc-Denis, Goede, Wolfgang Chr., Heckl, Wolfgang M. (Hg.):
Berlin, Heidelberg: Springer 2021
https://www.springerprofessional.de/kann-wissenschaft-witzig/18936016
 

Autor/in

Gastblogger

Immer wieder schreiben Gäste im Blog - Informationen zu diesen Autorinnen und Autoren finden sich im jeweiligen Beitrag. Als Gastblogger schrieben in letzter Zeit: <link 12873 - internal-link-new-window "Opens internal link in new window">Jutta Schlögl</link> war als Physik-Ingenieurin im Bereich Technische Entwicklung tätig und ist seit 2007 wissenschaftliche Mitarbeiterin des Deutschen Museums. Sie leitet das Projekt Experimentier-Werkstatt.Dorothea Föcking ist Hamburger Abiturientin und macht ein zweimonatiges Praktikum im Vorbereitungsteam der Sonderausstellung "Anthropozän". Ihr Tipp für einen Besuch im Deutschen Museum: Bei einem Museumsbesuch sollte man unbedingt Halt in der <link 81 - more>Pharmazie-Ausstellung</link> machen, um in das Innere der riesigen, gemütlichen Zellnachbildung zu schauen.