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Melli Beese – Eine Pilotin, die Luftfahrtgeschichte schrieb (Teil 2)

Melli Beese war eine mutige und abenteuerlustige Flugpionierin, Konstrukteurin und Unternehmerin. Sie brach in die von Männern dominierte Flugwelt ein, kämpfte sich empor und gab buchstäblich alles für ihren Traum vom Fliegen. Der zweite Teil des Blogbeitrags handelt vom Wendepunkt im Leben von Deutschlands erster Pilotin und ihrem tragischen Ende.
„Ich bin von der Erwägung ausgegangen, dass es an der Zeit ist, den in vielen Beziehungen durchaus ungeregelten Zuständen in manchen Flugschulen ein Ende zu machen …“
Zitat von Melli Beese aus Adalbert Norden „Flügel am Horizont. Roman der ersten Flieger“, Berlin 1939.

1912 gründete Beese auf dem Flugplatz Johannisthal das Luftfahrtunternehmen „Flugschule Melli Beese GmbH“. Als Mitglied des Bundes Deutscher Flugzeugführer setzte sie sich für die Regulierung der Flugschülerausbildung und die Erhöhung der Flugsicherheit durch die Zertifizierungen von Flugschulen sowie die Anwesenheit eines Arztes auf dem Flugplatz ein.

Beese war nicht nur als Fluglehrerin tätig, sondern entwarf und konstruierte auch Flugzeuge, auf die sie mehrere Patente erhielt: eines davon im November 1912 für ein „zerlegbares Flugzeug“, bei dem sie eine Möglichkeit gefunden hatte, die Flügel der Etrich-Rumpler-Taube schnell auf- und abzurüsten. Zwei Patente erhielt sie für das Beese-Boutard-Flugboot, das einen Aktionsradius von 2000 Kilometern haben sollte. Gemeinsam mit ihrem französischen Geschäftspartner und Ehemann Charles Boutard bauten sie ein entsprechendes Luftfahrzeug, das für große Luftreisen geeignet war. Das Ehepaar setzte alle Hoffnungen auf das Flugboot, welches sie für eine im August 1914 in Warnemünde stattfindende Veranstaltung angemeldet hatten.

Die Nationalflugspende

Beese engagierte sich stark für die Subventionierung des Flugzeugbaus und plädierte für eine breite Konkurrenz unter den Flugzeugbauern anstelle einer Monopolisierung weniger großer Firmen.
Sie beteiligte sich an der Nationalflugspende von 1912, einer nationale Geldsammelaktion, um die Entwicklung der deutschen Flugzeugindustrie voranzutreiben. „Die Nationalflugspende bedeutete für die kleinen Unternehmen auf dem Flugplatz Johannisthal die Hoffnung auf finanzielle Unterstützung.“ 2  Die gesammelte Spende betrug mehr als 7,5 Millionen Mark. Ein Teil davon sollte zur Ausbildung von Flugzeugführern verwendet werden.
Ab 1. April 1913 konnten rund 20 zugelassene Flugschulen, darunter Flugzeugwerke wie Albatros, Fokker-Aeroplanbau und E. Rumpler Luftfahrzeugbau, bis zu fünf militärdiensttaugliche Schüler ausbilden. Bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs legten 186 Piloten im Rahmen der „Nationalflugspende“ die Prüfung ab. Die Flugschule Flugschule Melli Beese GmbH gehörte nicht dazu. Zwischen Frühjahr 1913 und März 1914 bemühte sich Beese erfolglos um die finanzierte Ausbildung von Flugschülern für den Militärdienst.

„Trotz genügender Anzahl Maschinen, anerkannt erstklassig gebaut, und florierender Schule, wurden wir von der Nationalflugspende ausgeschlossen (wegen Nationalität meines Mannes), ebenso von Schülerausbildung wie von Wettbewerben derselben!!!“
Melli Beeses „Fliegerleben – Selbstporträt im Telegrammstil“, Berlin 1923.

Beginn des Ersten Weltkrieges

Mit Kriegsbeginn endete der zivile Flugbetrieb auf allen Flugplätzen Deutschlands. Die Entwicklung der Luftfahrt wurde zunehmend von politischen und militärischen Interessen geprägt. Gerade die kleinen Flugzeugfirmen hatten immer geringere Chancen, mit der Entwicklung mitzuhalten, vor allem ohne Aufträge der Militärbehörden.

Melli Beese, die nach der Heirat die französische Staatsbürgerschaft angenommen hatte, und ihr Ehemann Charles Boutard galten von da an als „feindliche Ausländer“. Das Betreten des Flugplatzes Johannisthal wurde ihnen verboten. Die Flugschule sowie die Fabrik mussten 1915 eingestellt werden. Auch das ersehnte Projekt ihres Flugbootes konnte nicht mehr realisiert werde. Es wurde von den Behörden zerstört.

„Unsere neuen Typen wurden vernichtet und von der Bevölkerung als Brennholz verwendet. Andere Maschinen, Werkzeuge und Material wurden uns genommen, […] während mein Mann und ich zusammen, ohne Rücksicht auf unsere schwer zerrüttete Gesundheit […] abtransportiert und in der Prignitz interniert wurden.“
Melli Beeses „Fliegerleben – Selbstporträt im Telegrammstil“, Berlin 1923.
Das Ehepaar stand vor dem finanziellen Bankrott und wurde für die Dauer des Krieges nach Wittstock verbannt. In der kargen Unterkunft erkrankte Boutard an Tuberkulose und auch Beese ging es gesundheitlich immer schlechter.

Ein Neuanfang nach dem Krieg?

Da der Bau und Betrieb von Flugzeugen in Deutschland nach dem Versailler Vertrag 1919 verboten und das Ehepaar Beese-Boutard mittellos waren, schien eine Zukunft in der Fliegerei aussichtslos. Die beiden hatte alles verloren und wurden während und nach dem Krieg von Beeses Mutter finanziell unterstützt.
„„Wir standen jedoch vor einem zertrümmerten Leben, krank, aller eigenen Mittel und Besitztümer beraubt – man hatte uns buchstäblich zugrunde gehetzt. Deutschlands Dank für unsere im Dienste des Flugwesens geopferten gesunden Glieder – […].“
Melli Beeses „Fliegerleben – Selbstporträt im Telegrammstil“, Berlin 1923.

Dennoch bemühte sich Beese darum, nach dem Ersten Weltkrieg wieder eine Existenz aufzubauen und forderte von der Regierung eine finanzielle Entschädigung von 80 000 Mark für die zerstörte Flugschule und ihre Flugapparate. Der Prozess zog sich über Jahre hin und kostete Beese viel Kraft.
Ein Teil der schließlich doch ausgezahlten Schadensersatzsumme ging dann durch die Inflation verloren, ein anderer Teil wurde in ein betrügerisches Automobilunternehmen investiert. Auch der Plan eines gemeinsamen Fluges mit ihrem Ehemann um die Welt scheiterte aufgrund fehlender Finanzierungen. 4

Melli Beese und Charles Boutard mussten im Laufe der Jahre auch feststellen, dass sie den Anschluss als Pilot und Pilotin verloren hatten. Die Flugtechnik entwickelte sich während des Krieges rasant weiter, sodass die neuen Flugzeuge kaum noch mit den ersten Flugmaschinen vergleichbar waren. Beese versuchte 1925 vergeblich ihre Fluglizenz zu erneuern. Im gleichen Jahr zerbrach auch die Ehe mit Boutard. Beese litt an Depressionen und war schwer morphiumabhängig. Am 21. Dezember 1925 – im Alter von 39 Jahren – nahm sie sich mit einer Pistole das Leben.
 „Volare necesse est, vivere non necesse!“ – „Fliegen ist notwendig, Leben nicht!“ Das waren die Worte ihres bei einem Absturz ums Leben gekommenen Fliegerfreundes Georg Schendel, die sie in einem Nachruf an ihn zitierte.  Galten diese Worte auch für sie selbst?

Fliegende Frauen der frühen Luftfahrt

Das Schicksal der ersten deutschen Pilotin ist eng mit den sozialen und politischen Entwicklungen der damaligen Zeit verknüpft. Beeses fliegerische Karriere war nur aufgrund ihrer gutbürgerlichen Herkunft möglich. Für Frauen ohne finanzielle Absicherungen kam die Abkehr von der ihnen zugeschriebenen Rolle als Hausfrau und Mutter kaum in Frage. Eine Frau, die in die „Domäne der Männer“ eindrang, wurde als minderwertige Konkurrenz betrachtet.
So spiegelt der ungewöhnliche Lebensweg von Melli Beese den steinigen Weg wider, den auch anderen Pilotinnen der frühen Luftfahrt auf die eine oder andere Art gehen mussten. Dieser Weg war von Widerständen, Vorurteilen und Missgunst geprägt. Getreu dem Motto „Dir fehlen Flügel und du möchtest fliegen? Krieche!“1 ließ sich Beese jedoch nicht aufhalten und konnte eine bedeutende Position im Flugwesen einnehmen.
Der Erste Weltkrieg, und die Militarisierung der Luftfahrt bereitete den Anfängen weiblicher Betätigung in der Aviatik ein Ende. Fliegerei war nur noch Männern zum Zwecke des Kriegseinsatzes vorbehalten. Nach dem Krieg waren dann Tausende als ausgebildete Piloten auf der Suche nach Arbeit, Frauen hatten eine andere gesellschaftliche Rolle zu erfüllen. Einige durften zwar als Sportfliegerinnen an Wettbewerben teilnehmen und Prämien gewinnen, aber „richtige Pilotinnen“ durften sie nicht werden. Der Zugang zur kommerziellen Fliegerei blieb deutschen Fliegerinnen lange verschlossen. 6

Auch wenn zahlreiche Pilotinnen in der Luftfahrtgeschichte präsent waren, blieben sie in der Geschichtsschreibung doch fast unsichtbar. Lange Zeit herrschte in der breiten Öffentlichkeit eine enge Verknüpfung zwischen „Luftfahrt und Männlichkeit“. Erst nach und nach werden die Leistungen der „Fliegenden Frauen“ in unserer heutigen Zeit sichtbar.

Die spannende Lebensgeschichte der Flugpionierin Melli Beese ist ein Beitrag zur Blogparade Frauen und Erinnerungskultur #femaleheritage, die von der Monacensia im Hildebrandhaus organisiert wird.

Zur Einladung, weiteren Artikeln und interessanten Frauen geht es hier!

1 Zitat des französischen Philosophen und Schriftstellers Voltaire (1694 - 1778). Würden Sie dieses Zitat auch so interpretieren?
2 Wittmann/Zibler: Melli Beese und die „Flügel am Horizont“. Die Geschichte der ersten Deutschen Pilotin, Berlin 2009.
4 Die kurze Probeaufnahme wurde 1941 in den deutschen Dokumentarfilm „Himmelstürmer“ von Walter Jerven aufgenommen. Der Film zeigt die Geschichte der Fliegerei von ihren Anfängen bis zum Zweiten Weltkrieg mit Hilfe historischer Filmaufnahmen. Er wurde von den Nationalsozialisten zu propagandistischen Zwecken genutzt.
5 Melli Beese aus ihren Erinnerungen „Unser Flugplatz in memoriam“, die 1921 in der Zeitschrift „Der Luftweg“ in Fortsetzung erschienen sind.
6 Eine Ausnahme war sicherlich Marga von Etzdorf, die als erste Frau in Deutschland 1928 eine Stelle als Kopilotin bei der „Deutschen Luft Hansa“ erhielt und Passagiere beförderte. Erst 1988 trat in dann Deutschland die erste Frau ihren Dienst als Pilotin bei der Lufthansa an (siehe hierzu: https://www.dw.com/de/frauen-erobern-das-cockpit/a-17037128, Abruf 02.11.2020).

Literatur:

  • Gertrud Pfister: Fliegen – Ihr Lieben. Die ersten Pilotinnen, Orlanda Frauenverlag, Berlin 1989.
  • Heike Vogel, Barbara Waibel: Die Schwestern des Ikarus: Frau und Flug, Publikation zur gleichnamigen Ausstellung am Zeppelin Museum Friedrichshafen, 2004.
  • Evelyn Zegenhagen: „Schneidige deutsche Mädel“. Fliegerinnen zwischen 1918 und 1945, Wallstein Verlag, Göttingen 2007.
  • Livia Käthe Wittmann, Barbara Zibler: Melli Beese und die „Flügel am Horizint“. Die Geschichte der ersten Deutschen Pilotin, trafo Verlagsgruppe Dr. Wolfgang Weist, Berlin 2009.
  • Ernst Probst: Königinnen der Lüfte von A bis Z. Biografien berühmter Fliegerinnen, Ballonfahrerinnen, Luftschifferinnen, Fallschirmspringerinnen und Astronautinnen, GRIN Verlag, München 2010.

Autor/in

Tatjana Dietl

Tatjana Dietl ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Luftfahrt und arbeitet derzeit an der Neugestaltung der Ausstellung „Historische Luftfahrt bis 1918“.

Ihr Tipp – In der Ausstellung Historische Luftfahrt in der Galerie ( Ebene 1+) eröffnen wir demnächst ein neues Mitmach-Highlight: den Segelflugsimulator.  Bald kann man im Rahmen einer Vorführung im Simulator Platz nehmen und für einige Minuten selbst zum Segelflieger werden!