Wie blickt eine nichthumane Entität auf die Erde und ihre Lebewesen? Was lenkt ihre Wahrnehmung, was interessiert sie? Diesen Fragen geht die slowakische Regisseurin Viera Čákanyová in ihrem ersten Spielfilm „FREM“ nach, der seine Weltpremiere am 21. Februar 2020 auf der 70. Berlinale in der Sektion „Forum“ im Kino Arsenal hatte. In der 73-minütigen tschechisch-slowakischen Koproduktion aus dem Jahr 2019 wird eine unbenannte Insel in der Antarktis aus der Perspektive eines extraterrestrischen, jedoch niemals sichtbaren Wesens gezeigt, das über die Landschaft fliegt und Säugetiere, Vögel, auch ein paar Menschen fixiert und gleich darauf wieder von ihnen absieht. Dies erfolgt nach ihm eigenen Kriterien.
Doch was sieht es? Oftmals wird aus großer Distanz auf die Lebewesen und die Umwelt gesehen, im Vorbeiflug. Die eigentliche, sehr leise Sensation von „FREM“ ist das Digital Warping (Verzerren), das Verpixeln und das Auflösen der Pixel des digital gedrehten, bearbeiteten und verfremdeten Films: Aus tierischen Blutlachen, verursacht von hungrigen Seeleoparden, werden Pixelschwärme, aus dreidimensionalen Landschaften werden abstrakte zweidimensionale Flächen, die Fraktalen ähneln. Zwischendurch kommt es immer wieder zu einem weißen Rauschen. Wenn Seelöwen und am Ende sogar die rote Containerhütte des Forschers weggepixelt, ja ausradiert werden, wird zugleich deutlich, wie stark selbst dokumentarisches Material verfremdet werden kann, ohne dass man dies als Mensch merken würde, wenn man keinen Vergleich zum ursprünglichen Filmmaterial ziehen könnte. Die Künstliche Intelligenz (KI) interessiert sich in ihrem "Denken" und Erkennen eher für Muster und Abstrahierbares als für das langsame Leben von Tier und Mensch.
Die Aufnahmen wurden größtenteils mit einer Drohne gemacht, mit der die ruckartigen Perspektivwechsel gedreht werden konnten. Zu Beginn des Films sieht man ihren Schatten über das Eis gleiten.
Und wie hört (sich) ein nichthumanoides Wesen (an)? Der Sounddesigner Standa Abrahám hat die vor Ort aufgenommenen Geräusche von Wind, Tieren, atmenden Menschen, Schnee etc. durch einen Algorithmus verfremdet, was einen seltsamen, elektronischen Sound schafft, der ebenso fremdartig wie unheimlich wirkt. Hierbei kommt es zu einer Interaktion des Wesens mit seiner Umwelt, so dass innere und äußere Geräusche nicht klar zu unterscheiden sind. Die rasch erfolgenden Richtungs- und damit einhergehenden Blickwechsel sind oft gepaart mit insektenartigen Klickgeräuschen, die an Björks Song „Utopia“ vom gleichnamigen Album (2017) erinnern. Diese Kombination führt zu einem mitunter beklemmenden Gefühl, bei dem auch die beeindruckende Weite und Leere der Landschaft keine Abhilfe schaffen kann.