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Nach dem großen Interesse an unserem Symposium „Das digitale Objekt“ im letzten Jahr, setzten wir unsere Reihe mit einem zweiten Symposium fort. Eingeladen hatten wir diesmal zu Themen, die uns im Team Deutsches Museum Digital (DMD) täglich beschäftigen: Die Objektdigitalisierung im Hier und Jetzt, im Zuge der digitalen Transformation und in der digitalen Zukunft. Die Veranstaltung fand am 28. und 29. November im Zentrum Neue Technologien (ZNT) auf der Museumsinsel statt und war sehr gut besucht: 170 Anmeldungen sind bei uns eingegangen. In den vier Panels ging es um die für uns relevanten Bereichen der Besucherrezeption und der Visualisierung sowie der Forschungsperspektive und Strategie des Digitalen.

Auch wenn es erstmal erstaunlich klingen mag: Die Themen von Virtual und Augmented Reality (VR und AR) sind nichts Neues, wie Sylvia Rothe (Medieninformatik, LMU München) in einem historischen Abriss erläuterte. Das 1962 entwickelte „Sensorama“ beispielsweise bot bereits ein multisensorielles, virtuelles Erlebnis an, das sogar olfaktorische Reize umfasste. Eine wichtige Erkenntnis, die für die Umsetzung heutiger VR/AR-Anwendungen im Museum von Bedeutung ist, betonte Silke Krohn (museum4punkt0, SPK Berlin): Digitale Stationen mit VR benötigen personelle Betreuung. Zudem müsse die digitale Transformation der gesamten Organisation und nicht nur von Inhalten und Objekten erfolgen.

Wie diese digitale Transformation erfolgreich und rasch durchgeführt werden kann, zeigt sich am Deutschen Optischen Museum (D.O.M.) in Jena, das sich zurzeit in einer großen Umbau- und Neukonzipierungsphase befindet. Andreas Christoph berichtete über den dortigen stark optimierten „digital workflow“, bei dem auch die wissenschaftlichen Standards nicht aus den Augen verloren werden. Mittels Vernetzung sollte die Visualisierung, so der Wunsch und die Zielsetzung Christophs, künftig sammlungsübergreifend erfolgen, um die Potentiale der Digitalisierung voll auszuschöpfen.

Wer an dieser Stelle immer noch Bedenken hegte, dass die Bedeutung des materiellen Objekts im Museum durch die Digitalisierung verringert werde, dem entgegnete Dennis Niewerth (Deutsches Schifffahrtsmuseum, Bremerhaven) in seinem theoretisch fundierten Vortrag, dass dessen Bedeutung ganz im Gegenteil sogar zunehme. Museen seien bereits Netzwerke und die Objekte (oder „Museumsdinge“) kontextabhängig. Gerade der Museumsraum beinhalte immer schon das Abwesende – und dieser Effekt könne im digitalen Raum durch Standardisierung und Vernetzung positiv verstärkt werden.

Bei diesem Prozess spielen auch nationale und internationale Forschungsprojekte eine große Rolle. Martin Langner (Institut für Digital Humanities, Universität Göttingen) zeigte die Möglichkeiten auf, die in der Mustererkennung als geisteswissenschaftliche Methode liegen. Anhand von Augustus-Statuen etwa konnte durch maschinelle Gesichtserkennung nachgewiesen werden, dass deren Ähnlichkeit weniger anhand der Gestaltung der Locken, als vielmehr anhand der Ausarbeitung von Mund- und Augenpartien nachgewiesen werden könne. Ein weiteres Beispiel stellte Andreas Maier (Department Informatik, FAU Erlangen-Nürnberg) mit dem Projekt „Time Machine Europe“ vor. Eindrucksvoll erläuterte er, wie Bücher durch Röntgenverfahren in geschlossenem Zustand gescannt werden; fragile Druckwerke, die nicht mehr geöffnet werden können, werden somit lesbar! Das Projekt „Time Machine Europe“ erprobt zahlreiche solcher Methoden, um die Vergangenheit mit der digitalen Zukunft zu verbinden und befördert damit in hohem Maße die Entwicklung im Digitalen.

Auch die Nachnutzung von Daten ist bei Digitalisierungsprojekten zwingend mit zu bedenken. Und hierfür bedarf es sinnvoller Strategien. Zu unterscheiden ist dabei, so Christian Gries (Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern) zwischen der digitalen Sammlungserfassung (Digitalisieren) und der digitalen Strategie. Gries betonte, dass diejenigen, die sich nicht selbst digitalisierten, von außen digitalisiert werden. „Digital literacy“ ist, laut Gries, eine Kernkompetenz aller zukünftigen Mitarbeiter*innen in Kulturinstitutionen. Hierauf wies auch Frederik Berger (Museum für Naturkunde, Berlin) hin, der eine Veränderung des Berufsbildes des/der Geisteswissenschaftler*in beobachtete.
In seiner Keynote stellte Georg Hohmann (Deutsches Museum München) zahlreiche Digitalisierungsprojekte des Deutschen Museums vor und betonte die Funktion der Digitalisierung als Querschnittsaufgabe eines Museums. Auch kann das Internet, so Hohmann, als Übermuseum betrachtet werden.

Das initiale BarCamp, bei dem die Teilnehmer*innen selbst die Themen bestimmten, und die Post-Conference rahmten das Symposium ein. Darüber hinaus gab es noch weitere Angebote an die Teilnehmer*innen des Symposiums, wie beispielsweise die Präsentation von Projekten, die im Zuge des Kulturhackathons „Coding da Vinci Süd“ entstanden sind und kreative Lösungen für die Nutzung freier Kulturdaten bieten: „162 ways to die“, „Femtett“ und „Schmankerl Time Machine“. Außerdem präsentierten 14 Studierende des Instituts für Informatik an der LMU ihre Projekte zum Thema „VR- und AR-Anwendungen für Museen“, bei denen sie Objekte des Deutschen Museums nutzten, anhand von Postern. Und als Neuerung wurde am Museum die App „Slido“ eingeführt, mittels derer Fragen eingereicht werden oder an Umfragen teilgenommen werden kann. Auf den sozialen Netzwerken wurden unter #ddo19 Tweets und anderer Nachrichten zum Symposium verfasst. Im Nachklang an die Veranstaltung sollen die Vorträge auch online gestellt werden.

Als Fazit nehmen wir mit, dass virtuelle Museen einige Probleme lösen können: So werden Objekte aus dem Depot sichtbar und fragile Objekte geschützt. Die Besucher*innen erhalten mehr Input sowie die Möglichkeit zur Interaktion mit den Objekten. Außerdem wird die Vernetzung erhöht; durch Verbund-
arbeit können Erfahrungswerte geteilt werden. Zudem werden Nachhaltigkeit und Nachnutzbarkeit sichergestellt. Außerdem erhält die Forschung neue Anregungen, die für die Zukunftssicherung von Bedeutung sind. Der an alle gerichtete Apell lautete dabei, dass digitale Kompetenz nicht ausschließlich auf Projektstellen gebildet werden dürfe. Denn dies bedeute einen Verlust an Ressourcen in hohem Ausmaß. Tradition, so zitierte Georg Hohmann den französischen Historiker Jean Jaurès (1859–1914) in seiner Keynote, sei die Weitergabe des Feuers und nicht die Anbetung der Asche. Auch das ein (symbolisches) Fazit, das wir aus dem Symposium mitnehmen können. Auf vielfache Anfrage hin wird es vorrausichtlich auch 2020 eine Fortsetzung unserer Reihe geben. Zur thematischen Ausrichtung und den Formaten haben wir uns vom Team DMD bereits erste Gedanken gemacht. Dazu jedoch mehr im Laufe des kommenden Jahres. In diesem und in Wilhelm Buschs Sinne:
„… doch der dritte folgt sogleich.“

Autor/in

Fabienne Huguenin

Fabienne Huguenin ist wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Projekt DigiPortA. Portätmalerei ist einer der Forschungsschwerpunkte der Kunsthistorikerin. Das Thema ihrer Promotion lautet "Hässlichkeit im Portrait – Eine Paradoxie der Renaissancemalerei".

Ihr Tipp für einen Besuch im Deutschen Museum: In der Abteilung Meeresforschung fasziniert das minutiös gearbeitete Diorama eines Labors auf dem Forschungsschiff „Challenger“ (Expedition 1872–1876). Gleich daneben sind zum Teil behäbig wirkende Helmtaucherausrüstungen und Panzertauchanzüge zu sehen, die an frühere Tauchexperimente erinnern, wie sie auch der Ingenieur Wilhelm Bauer (1822–1875) durchführte: Eine Fotografie auf der Startseite von DigiPortA zeigt den kaiserlichen Submarine-Ingenieur vermutlich im Jahr 1863 anlässlich der Hebung des im Bodensee gesunkenen Dampfers „Ludwig“.

Matthias Göggerle