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Ihm verdanken die Münchnerinnen und Münchner ihr gutes Trinkwasser und die Kanalisation, den zentralen Schlachthof und natürlich das Max-von-Pettenkofer-Institut. Am 8. Dezember 2018 jährte sich der Geburtstag des berühmten Chemikers zum 200. Mal. Ein guter Anlass sich die Cholera-Bodenproben, eines der berühmten Pettenkofer-Objekte in den Sammlungen des Deutschen Museums näher anzusehen.   Am 15. Juli 1854 wurde die Erste Allgemeine Deutsche Industrieausstellung im Münchner Glaspalast von König Max II. feierlich eröffnet. Aussteller aus aller Welt präsentierten technische Wunderwerke. Noch während der Eröffnungsrede durch den König kam es zu einem Todesfall – einer der Kontrolleure am Eingang brachzusammen. Zunächst glaubte man an einen Schlaganfall. In den nächsten Tagen aber litten viele Ausstellungsangestellte an heftigem Durchfall.
Am 27. Juli 1854 schließlich wurde beim 39-jährigen Tagelöhner Peter Stopfer eine Choleraerkrankung nachgewiesen, der er zwei Tage später erlag. Rasch wuchs die Zahl der Erkrankten– es kam zur Epidemie in München. Viele ausländischen Gäste und ranghohe Münchner verließen fluchtartig die Stadt. Erst am 30. September 1854 verkündete das einberufene „Komitee zur Beschließung von Maßnahmen gegen die epidemische Brechruhr“ das Ende der Choleraepidemie mit 2.143 Todesopfern.

Ursachenforschung

Ein Mitglied der Untersuchungskommission war der 36 Jahre alte Max von Pettenkofer (1818-1901). Der Sohn eines Bauern hatte Pharmazie, Chemie und Medizin studiert und war 1847 von der Ludwig-Maximilians-Universität zum Professor für medizinische Chemie berufen worden. Die Frage, warum die Cholera in München so wüten konnte und wie man eine solche Seuche in Zukunft verhindern könnte, sollte ihn von nun an beschäftigen.

Pettenkofer suchte nicht nach dem Erreger der Krankheit, sondern er machte u.a. die durch Zersetzungsvorgänge verunreinigte Luft mitverantwortlich und empfahl regelmäßiges Lüften oder bzw. Siphons bei den Ausgüssen in Küchen und Aborten. 1865 eröffnete Pettenkofer in München sein Institut für Hygiene, das erste weltweit.

Bald erkannte er, dass auch die Brunnenqualität durch die städtischen Abwässer stark beeinträchtigt wurde. Auf seine Empfehlungen beauftragte die Regierung von Oberbayern die Stadtverwaltung München mit dem Ausbau eines Abwasserkanalsystems. Der Bauingenieur und spätere Stadtbaurat Arnold Zenetti plante und beaufsichtigte den Bau des ersten Sielsystems (Bauzeit 1862 bis 1887).

In der Anfangszeit häuften sich die Beschwerden der Bewohner Münchens über die höheren Abgaben und die Kloake, deren Gestank sich besonders im Sommer deutlich bemerkbar machte. Die Kanäle mussten oft gereinigt werden.  Auch die Landwirte waren gegen die Kanalisation. Bislang hatten sie die Fäkalien aus der Stadt geholt und als Dünger auf ihren Feldern ausgebracht. Nun büßten sie ihre Bezahlung in Höhe von 30 Gulden pro geleerte Abortgrube ein.

Pettenkofer debattierte regelmäßig in Kommissionssitzungen, schrieb Zeitungsartikel und hielt öffentliche Ansprachen. Damit die Abwässer nicht die Kanalrohre zersetzten, musste zudem die Zementzusammensetzung verbessert werden. Erst 1899 wurde schließlich die Schwemmkanalisation eingeführt, was zur Durchsetzung des Spülklosetts in München führte und die Geruchsprobleme löste. Um 1900 waren bereits 78 Prozent der Münchner Bevölkerung an das Kanalnetz angeschlossen.

Die Rückkehr der Cholera

Als 1873 die Cholera abermals in München ausbrach, musste wie schon 1854 das Oktoberfest abgesagt werden. Nun endlich konnte sich Pettenkofer mit seinen erweiterten Maßnahmen zur hygienischen Stadtsanierung durchsetzen. Er verbannte die Schlachtereien aus der Innenstadt und 1878 wurde der zentrale Schlacht- und Viehhof eröffnet.

Das dritte Element in Pettenkofers Plan einer verbesserten Stadthygiene war die Trinkwasserversorgung. Seit 1867 bezog München einen Teil seines Wassers aus Thalkirchen, ab 1883 wurde das rund 40 km entfernte Mangfalltal zur Wasserversorgung herangezogen. Seitdem kann München seine Bürger bis zum heutigen Tag jederzeit mit Trinkwasser in hervorragender Qualität versorgen.

1892 kam die Cholera als Seuche das letzte Mal nach Europa und grassierte besonders in Hamburg. München blieb nicht nur verschont, es galt, vor allem aufgrund seiner Kanalisation, mittlerweile als die »sauberste Stadt Europas«.

Autor/in

Florian Breitsameter

Dr. Florian Breitsameter hat Chemie studiert und ist Kurator für Pharmazie und Medizintechnik am Deutschen Museum. Er entwickelte die Ausstellung »Gesundheit« und forscht u.a. zu Holzstandgefäßen in deutschen Apotheken und der Geschichte der Sulfonamide.

Sein Tipp für einen Besuch im Deutschen Museum: Die Historische Apotheke in der Ausstellung Gesundheit mit wunderschönen und wertvollen Apothekengefäßen, die u.a. Asseln, Rocheneier, getrocknete Kröten und Unicornum verum – echtes Einhorn – enthalten!