Die Tour mit dem Klepper Faltkajak war bereits Lindemanns zweite Atlantiküberquerung. Seine erste unternahm er im Vorjahr auf der gleichen Route: mit einem 7,7 m langen und nur 76 cm breiten liberianischem Ausleger-Einbaum. Diese Reise dauerte 65 Tage. Auf beiden Reisen war es Lindemann ein Anliegen, nicht nur die physischen Gesundheitsgrundlagen Schiffbrüchiger – Essen, Trinken, Schlafen etc. - genauer kennenzulernen, sondern auch die psychischen. Schiffbrüchige mit einer zuversichtlichen Einstellung, so Lindemann, würden länger überleben als solche, die innerlich resignierten. Um seinen Durchhaltewillen zu stärken, übte Lindemann sich im autogenen Training – einer Entspannungstechnik, die von dem Berliner Psychiater Johannes H. Schulz (1884-1970) entwickelt und 1926 erstmals vorgestellt wurde. Indem Lindemann sich immer wieder vorsagte „ich schaffe es – nicht aufgeben – Kurs West – nimmt keine fremde Hilfe an“ überdauerte er die Strapazen beider Reisen. Als er am 36. Tag seiner Reise mitten auf dem Atlantik einem Frachter begegnete, und dieser ihn an Bord nehmen, zumindest jedoch mit Proviant versorgen wollte, „sprudelte es“, so Lindemann, nur so aus ihm hervor: keine Hilfe wollte annehmen, obwohl er Lebensmittel eigentlich dringend nötig hatte (Lindemann, 1963:107). Mit seinen erfolgreichen Reisen gilt Lindemann als einer der ersten, die den Wert des autogenen Trainings einer breiteren Öffentlichkeit bekannt machte.
Am 30. Dezember 1956, also vor ziemlich genau 60 Jahren, erreichte Hannes Lindemann schließlich die Insel St. Martin, gelegen im Norden der Kleinen Antillen in der Karibik. Kaum, dass er angekommen war, trieb es ihn aber weiter; nur zwei Nächte verbrachte Lindemann an Land - ein Mechaniker reparierte zwischenzeitlich das Ruder seines Faltkajaks. Dann machte Lindemann sich erneut für weitere „50 gemütliche Stunden“ auf, um nach St. Thomas zu gelangen, wo ihn schließlich Freunde erwarteten und er seine Reise beendete (ebd.:142).