Was einem natürlich nicht bewusst ist: Für die Gehörlosen ist das gleichzeitige „Zuhören“ und Anschauen ein großes Problem – logisch: Entweder man schaut auf die Hände der Dolmetscherin oder auf das Ausstellungsstück, beides gleichzeitig geht nicht. Das ist natürlich auch für den Führer eine Herausforderung – der ist gewohnt, gleichzeitig zu zeigen und zu sprechen. Bei der „Renzo“, dem großen Dampfschlepper in der Schifffahrtsausstellung, erklärt das ein Mitglied der Gruppe freundlich, aber bestimmt. Reinhard Labisch lässt sich dann auch gleich mehr Zeit. Und eigentlich ist das ja auch eine gute Idee für alle Besuchergruppen: Die meisten Menschen schaffen es ja nicht, gleichzeitig intensiv zuzuhören und das Exponat aufmerksam anzuschauen. Sich mehr Zeit nehmen, um nur zu schauen, ist also in jedem Fall eine gute Idee für Führungen.
Wie herzlich und offen die Teilnehmer sind, bemerke ich auf dem Weg zur Abteilung Meeresforschung. Obwohl mich niemand aus der Gruppe kennt, ich nur mitlaufe und keine Gebärdensprache verstehe, kommunizieren die Besucher trotzdem mit mir und zeigen, wie beeindruckt sie von den Exponaten sind. Auch mit Mimik kann man eine Menge ausdrücken – und sich ohne Worte wunderbar verständigen.
Im Untergeschoss der Schifffahrtsausstellung wird am Ende der Führung ein laufender Schiffsmotor gezeigt. Mich faszinieren dabei die ungewöhnlichen Geräusche. Und ich versuche mir vorzustellen, wie das wohl wäre – nichts zu hören, sein Leben in permanenter Stille zu verbringen. Ehrlich gesagt: Man kann sich das nicht vorstellen. Aber so eine Führung öffnet einem die Augen – nicht nur fürs Museum, sondern auch für die Situation von Menschen, die Barrieren im Leben zu überwinden haben. Und es wäre gut, „normale“ Museumsbesucher daran teilhaben zu lassen. Es wäre ein guter Weg, um Barrierefreiheit auch in den Köpfen zu schaffen. Ich werde nie emotional nachvollziehen können, wie es ist, dauerhaft ohne Gehör zu leben, doch dank dieser Menschen zu sehen, wie man trotzdem oder vielleicht gerade deshalb an der Welt teilhat, ist für mich eine wichtige Erfahrung.