Susanne Rehn-Taube
Susanne Rehn ist Chemikerin und seit 2005 Kuratorin für Chemie am Deutschen Museum. Sie hat mit ihrem Team die Ausstellung Chemie konzipiert und ist für die Digitalisierung der chemischen Sammlung verantwortlich.
Aus der Sammlung , barrierefrei , Schule Sek 2 , Erwachsene , Inklusion und Vielfalt , Jugendliche / junge Erwachsene , Vortrag , Naturwissenschaften , Mensch und Umwelt
Der "Hahn-Meitner-Straßmann-Tisch" ist ein hölzerner Arbeitstisch mit Paraffinblock, Geiger-Müller-Zähler, Batterien, Saugflasche und anderem. Er steht für eine der spektakulärsten, aber auch verhängnisvollsten Entdeckungen des 20. Jahrhunderts: Die vor 75 Jahren erstmals nachgewiesene Spaltung von Atomkernen. Sie ermöglicht die Nutzung der Atomenergie für die Stromversorgung, brachte aber auch die Atombombe. Genaugenommen handelt es sich bei dem Tisch nur um eine Installation und nicht um den tatsächlichen Versuchsaufbau. Die Versuche fanden in drei Räumen statt und wichtige Vorgänge wie Bestrahlung, chemische Analyse und Aufnahme der Zerfallskurven wurden für das Deutsche Museum zusammengeführt. Otto Hahn persönlich hat diesen Aufbau für die Ausstellung kommentiert.
Auf dem Tisch liegt auch eine Kopie des Laborbuches auf, aufgeschlagen mit dem Eintrag am 17. Dezember 1938:
[Transkription der linken Seite]
Indikatorversuch "Ra III _ Msth I". S. 76-77.
15,5g Uran wird vom 16.XII. abends bis 17. XII morgens –8 Uhr bestrahlt. Dann 2 1/2 Stunden das "RA II" (14 Min [uten]) zerfallen lassen. Dann das 86 Min[uten] -Ra III frisch, also frei von Ac I und Ac II, hergestellt. Dieses mit einer hinreichenden Menge vorher von ThB+C und Rdth befreiten Menge von Msth I versetzt, alles gemeinsam mit BaBr2 (-) - 2g Ba - fraktioniert. Konzentration der Säure bei den Fraktionen blieb ungefähr gleich.
Während des Fraktionierung zerfällt ein Teil des 86 Min[uten] -Ra III, dagegen wird das Msth 1 immer wieder frei von Msth 2 bei den Fraktionen erhalten. Also die Zeitangaben für 2 Stoffe etwas verschieden. Bei dem Msth I macht dies aber nichts aus, da die Endaktivität bestimmbar ist. Die Aktivität von Ba III 86 Min[uten] ist auf die erste Abscheidungsz[eit] bezogen für alle!
Bei ihrem Versuch wollen die Chemiker Otto Hahn und Fritz Straßmann Neutronenstrahlen auf Uranatome schießen und erwarten, dass die Atomkerne die Neutronen schlucken und sich Atomkerne bilden, die größer sind als die Kerne des Urans ("Transurane"). Das Ergebnis zeigt etwas anderes, das Hahn nicht deuten kann. Er wendet sich an Lise Meitner, die nach jahrelanger gemeinsamer Forschungsarbeit am Kaiser-Wilhelm-Institut aufgrund der Verfolgung durch die Nationalsozialisten Berlin im Juli 1938 verlassen und nach Schweden fliehen musste. Die Kernphysikerin Lise Meitner findet die Lösung und erkennt, dass am bei dem Versuch der Urankern in zwei Teile zerlegt wurde. Sie berechnet auch die dabei freigesetzte Energie, die größer ist als irgendein anderer Prozess sie zu liefern vermag.
1963 zum 25. Jahrestag der Uranspaltung schreibt Lise Meitner:
"Die Entdeckung der Uranspaltung durch Otto Hahn und Fritz Strassmann hat ein neues Zeitalter in der Geschichte der Menschheit eröffnet. Die dieser Entdeckung zugrunde liegende wissenschaftliche Leistung scheint mir darum so bewundernswert, weil sie ohne jede theoretische Wegweisung auf rein chemischem Weg erreicht worden ist, sicher der überzeugendste Beweis für das erstaunliche neue Ergebnis. (…) Weniger eindeutig ist die weltumfassende Bedeutung des Spaltprozesses in seiner Ausnutzbarkeit für die ganze Menschheit zum Guten oder Bösen, wie es sie vorher nie gegeben hat. Als neue, fast unbegrenzte Energiequelle kann der Spaltungsprozeß bisher unerreichbar gewesene Verbesserungen in das Leben der Völker bringen, vor allem in den sogenannten unterentwickelten Ländern. (…) Viel weiter entwickelt hat sich leider bisher der dunkle Weg zum Bösen, der Wettlauf in der Konstruktion todbringender Waffen, die nicht nur den "Untergang des Abendlandes", sondern der ganzen Menschheit bedingen können. Wir wollen hoffen, dass schließlich Vernunft und Rechtsbewußtsein den falschen Weg ausschließen werden. Aber es gibt ein altes Sprichwort: "Es ist schon später, als Du denkst."
(Aus: Lise Meitner, Erinnerungen an Otto Hahn. Mit Beiträgen von Mitarbeitern und Weggefährten. Herausgegeben von Dietrich Hahn. Stuttgart 2005. (In der Bibliothek des Deutschen Museum zu finden. (Link zum Opac))