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Owen Gaffney's Kurzfilm stellt das Anthropozän vor. „Anthropozän – Natur und Technik im Menschenzeitalter“ lautet der Titel einer großen Sonderausstellung, die ab Oktober 2014 auf der Museumsinsel zu sehen sein wird. Gerade ist die Vorbereitungsphase besonders heiß, viele Dinge passieren gleichzeitig: Das inhaltliche Konzept wird erarbeitet, Exponate werden ausgesucht und Leihanfragen gestellt, es läuft eine europaweite Ausschreibung für die Ausstellungsgestaltung. Wie aber entscheiden wir, was die Ausstellung zeigt und wie?
Um zu erfahren, was unsere Besucher interessiert und was sie über das Thema denken, haben wir im vergangenen Herbst eine Besucherstudie durchgeführt. Der vierseitige Fragebogen wurde von über 100 BesucherInnen ausgefüllt. Die Auswertung führte zu einem über 60 Seiten langen Bericht, der uns wichtige Einblicke in die Erwartungen, Wünsche und den Kenntnisstand unserer BesucherInnen lieferte. Einige unserer vorigen Annahmen wurden bestätigt, andere Ergebnisse überraschten uns. Fragten wir z.B. ganz allgemein nach der Bedeutung von Technik für unsere Lebenswelten, so hielten sich positive und negative Einschätzungen ungefähr die Waage. Auf die spezifischere Frage nach dem Einfluss von Technik auf die Natur antworteten jedoch insgesamt 67% negativ (15% „negativ“, 52% „eher negativ“). Nur 9% bzw. 2% hielten ihn für „eher positiv“ bzw. „positiv“ (der Rest beschrieb den Einfluss als neutral). Neben den Einstellungen zu bestimmten Themen interessierte uns auch der Kenntnisstand der BesucherInnen. Eine Frage diente dazu, den Bekanntheitsgrad verschiedener Begrifflichkeiten zu ermitteln. Auf diese Weise lernen wir viel darüber, welche Begriffe in unserer Ausstellung genauer erklärt werden müssen und welche bereits weitläufig bekannt sind. Ab und zu ergeben sich dabei auch Überraschungen: So hätten wir z.B. nicht gedacht, dass so viele BesucherInnen den Begriff „Rio+20“ nicht kannten, der die Weltklima-Konferenz der Vereinten Nationen im vergangenen Jahr bezeichnete, die in den Medien ausführlich diskutiert wurde. Erwartungsgemäß gut bekannt sind dagegen Begriffe wie „Nachhaltigkeit“, „Globalisierung“ oder auch „Atmosphäre“
Natürlich werden wir auch in der Anthropozän-Ausstellung viel Wert darauf legen, die Themen verständlich aufzubereiten. In erster Linie will die Ausstellung zum Nach- und Umdenken anregen und die Besucher und Besucherinnen zum Mitdiskutieren und Handeln animieren. Das Anthropozän als mögliches neues vom Menschen geprägtes Erdzeitalter ist noch sehr jung. Noch wissen wir nicht, wie genau es aussehen wird. Was wir aber wissen ist, dass wir Menschen es gestalten – positiv wie negativ. Diese Offenheit möchte die Ausstellung aufgreifen und die BesucherInnen direkt einbeziehen, z.B. indem sie in partizipativen Spielen Entscheidungen treffen müssen oder sich eine Meinung über bestimmte Themen bilden können. Können Sie sich vorstellen, synthetisch hergestelltes Fleisch zu essen? Wie sähe die Welt in 3000 Jahren aus, wenn Sie sie gestalten? Wie können wir unsere Ziele eines nachhaltigen Wirtschaftens erreichen? Wieviel Technik können wir uns dabei vorstellen? Wäre Geo-Engineering trotz aller derzeitigen Unwägbarkeiten ein Versuch wert? Aktuelle und kontroverse Themen sollten Museen durchaus in ihren Ausstellungen verhandeln. Das zumindest hat unsere Umfrage auch gezeigt. Ganze 80% der Befragten finden das gut, lediglich 13% verneinten die Frage (7% machten keine Angabe).
So wie uns die Besucherstudie einen Eindruck von den Wünschen der BesucherInnen gegeben hat, so hilft uns der Austausch mit Kollegen und Kolleginnen aus anderen Bereichen bei der Konzeption von Ausstellung. Genau zu diesem Zweck fand im Januar ein Expertenworkshop am Deutschen Museum statt, zu dem wir Fachleute aus Journalismus, Kunst, Film, Multimedia, Museum und Szenografie eingeladen hatten, um mit dem Projektteam über Vermittlungsformen des Anthropozäns zu diskutieren. Der Austausch zwischen den TeilnehmerInnen war inspirierend und vielseitig und eröffnet interessante neue Wege der Museumsvermittlung. Aus der journalistischen Perspektive sprach z.B. Jens Schröder, stellvertretender Chefredakteur des Magazins GEO, der vor allem die Bedeutung personalisierter Geschichten betonte. Serafine Lindemann von artcircolo und Hendrick-Jan Grievink von NextNature zeigten das große Potenzial künstlerischer und kreativ-graphischer Darstellungen, die unsere Sinne anregen und uns in ganz neuen, außerhalb wissenschaftlicher Grenzen liegenden Dimensionen denken lassen. Neben vielen weiteren Gästen war auch Owen Gaffney, Kommunikationsdirektor des International Geosphere-Biosphere Programme mit Sitz in Stockholm zu uns gekommen. Gaffney ist Mitschöpfer des eindrucksvollen Kurzfilms „Welcome to the Anthropocene“, mit dem der UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon die Konferenz Rio+20 im vergangenen Jahr eröffnete und dem Anthropozän vor Vertretern der Wirtschaft, Wissenschaft und Politik eine ganz große Bühne bereitete.
Die Impulse, Reaktionen und Ideen, die wir in den letzten Wochen gesammelt haben, reifen nun zu einem detaillierten Ausstellungskonzept, damit am Ende eine sehenswerte, inspirierende, lehrreiche, spannende und unterhaltsame Ausstellung viele BesucherInnen ins Deutschen Museum bringt! Auf dem Weg dahin werden wir immer wieder einmal berichten, wie es vorangeht. Auch weitere Besucherbefragungen sind geplant, denn so wie wir alle das Anthropozän gestalten, so gestalten Sie alle auch ein bisschen unsere Ausstellungen mit. Es gilt also: Aufgepasst und mitgemacht! Danke an dieser Stelle für die bereitwilligen TeilnehmerInnen der letzten Umfrage! Mehr Informationen zu Anthropozän unter ...sonderausstellungen/2014/anthropozän

Autor/in

Nina Möllers

ist Mitarbeiterin am Forschungsinstitut des Deutschen Museums. Derzeit arbeitet die promovierte Historikerin als kuratorische Leiterin für eine Sonderausstellung zum Thema "Kosmos Kaffee", die ab Frühjahr 2019 im Deutschen Museum gezeigt wird. Ihr Tipp für einen Besuch im Deutschen Museum ist ein Ausflug ins All:
Im Innenhof des Deutschen Museums steht eine große goldene Sonnenkugel. Folgt man von hier aus dem Pfad, der am Isarufer entlang bis zum Tierpark Hellabrunn führt, trifft man auf Venus, Merkur, Uranus und die anderen Planeten. Der Planetenweg ist maßstäbliches Modell unseres Sonnensystems. Hier wird einem erst richtig bewusst, wie klein der Mensch und wie riesengroß das Weltall ist: Für einen Schritt auf dem Planetenweg müssten wir im Weltall mehr als eine Million Kilometer zurücklegen.