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Gibt es noch unberührte Natur oder ist unsere Umwelt nicht schon längst „menschengemacht“? Wo liegen die Grenzen zwischen Mensch und Technik, zwischen „Natürlichem“ und „Künstlichem“? Haben wir unsere Umwelt bereits auf so tiefgreifende und nachhaltige Weise beeinflusst, dass wir von einem neuen geologischen Zeitalter sprechen können? Und wenn ja, was bedeutet das für unser Menschenbild und unsere Rolle auf der Erde in Gegenwart und Zukunft?

Diese und andere Fragen stehen im Mittelpunkt gleich mehrerer transdisziplinärer Forschungs- und Ausstellungsprojekte zum „Anthropozän“, die vom Deutschen Museum und dem Haus der Kulturen der Welt in Berlin in den kommenden zwei Jahren in Kooperation miteinander unternommen werden.

Aus ihren jeweils spezifischen Blickwinkeln beschäftigen sich die beiden Institutionen mit der vom Atmosphärenchemiker und Nobelpreisträger Paul J. Crutzen popularisierten Hypothese, dass wir aufgrund der tiefgreifenden menschlichen Eingriffe in die Umwelt nicht länger im Holozän, sondern im „Anthropozän“ leben. Neben der geologischen Frage, ob sich unsere Handlungsweisen bereits in der Erdgeschichte niederschlagen, beinhaltet das Anthropozän ein neues Verständnis des Verhältnisses von Natur und Kultur. Das Anthropozän verknüpft die Geschichte unseres Planeten mit seiner Gegenwart und Zukunft und sieht Mensch und Natur nicht mehr als voneinander trennbares Gegenüber. Als bio- und geologische Akteure sind die Menschen prägender Teil eines „Sozio-Ökosystems“ – eine Wahrnehmung, die eine große Verantwortung mit sich bringt. Gemeinsam mit dem Münchner Rachel Carson Center for Environment and Society erarbeitet das Deutsche Museum eine große Sonderausstellung zum Thema „Anthropozän. Natur und Technik im Menschenzeitalte“, die ab Oktober 2014 zu sehen sein wird. Ganz in der Tradition des Deutschen Museums wird die Ausstellung historische Artefakte und aktuelle Objekte aus den Laboratorien von Wissenschaft und Industrie zeigen und den Besuchern und Besucherinnen durch interaktive Demonstrationen, digitale Medien und ein breites Angebot von Begleitveranstaltungen die Möglichkeit bieten, Geschichte, Gegenwart und mögliche Zukunftsszenarien unseres Planeten zu erfahren und sich aktiv an der Diskussion zu beteiligen. 

Die institutionenübergreifende und multiperspektivische Untersuchung des Anthropozäns und seiner Implikationen startet im neuen Jahr mit der Veranstaltung des Haus der Kulturen der Welt in Berlin. „Das Anthropozän-Projekt. Eine Eröffnung“ ist der viertägige Auftakt (10.-13. Januar 2013) eines zweijährigen Projektes, in dem Gedanken, Positionierungen und Diskussionslinien rund um grundlegende Fragen des "Zeitalters des Menschen" verhandelt werden. Renommierte Denker, Künstler, Filmemacher und Wissenschaftler treffen bei Gesprächen, Performances und auf Erzählinseln zusammen, um das komplexe Terrain "nach dem Holozän" aus unterschiedlichsten Perspektiven zu verhandeln und zu diskutieren.

In Keynotes werden die sozio-politische, philosophische und gestalterische Mobilisierungskraft der Anthropozän-These befragt. Dialoge sondieren mit zugespitzten Fragen Meinungen und Meinungsbilder: Kündet das Anthropozän vom Jüngsten Tag? Ist es neu? Ist es gerecht? Ist es ein Luxus? Ist es schön? Roundtables bringen künstlerische und wissenschaftliche Neuerzählungen zur Sprache. Ein Research Forum debattiert transdiziplinäre Praktiken und Logiken des Forschens im Anthropozän; künstlerische Beiträge setzen sich mit poetischen Kosmologien und Bild-Welt-Entwürfen des Anthropozäns auseinander.

Das Projekt des HKW findet in Kooperation mit der Max-Planck-Gesellschaft, dem Deutschen Museum, dem Rachel Carson Center for Environment and Society und dem Institute for Advanced Sustainability Studies, Potsdam statt.

Gäste der Auftaktveranstaltung sind u.a. Akeel Bilgrami, Dipesh Chakrabarty, Lorraine Daston, Harun Farocki, Renée Green, Nikolaus Geyrhalter, Ursula K. Heise, Rem Koolhaas, Xavier Le Roy, smudge studio, Will Steffen, Michael Taussig u.v.a.

  • Mehr Informationen zur Veranstaltung am Haus der Kulturen der Welt inkl. Programm und Link zum Ticketverkauf unter: www.hkw.de/anthropozaen
  • Mehr Informationen zur Sonderausstellung des Deutschen Museums 2014

Autor/in

Nina Möllers

ist Mitarbeiterin am Forschungsinstitut des Deutschen Museums. Derzeit arbeitet die promovierte Historikerin als kuratorische Leiterin für eine Sonderausstellung zum Thema "Kosmos Kaffee", die ab Frühjahr 2019 im Deutschen Museum gezeigt wird. Ihr Tipp für einen Besuch im Deutschen Museum ist ein Ausflug ins All:
Im Innenhof des Deutschen Museums steht eine große goldene Sonnenkugel. Folgt man von hier aus dem Pfad, der am Isarufer entlang bis zum Tierpark Hellabrunn führt, trifft man auf Venus, Merkur, Uranus und die anderen Planeten. Der Planetenweg ist maßstäbliches Modell unseres Sonnensystems. Hier wird einem erst richtig bewusst, wie klein der Mensch und wie riesengroß das Weltall ist: Für einen Schritt auf dem Planetenweg müssten wir im Weltall mehr als eine Million Kilometer zurücklegen.