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Von Michael Brandt und Johannes-Geert Hagmann

"Dusche/Bad, Fernsehen, Telefon, Minibar, Minitel" - auch wer in Deutschland den Dienst nie genutzt hat, kennt ihn aus den Hotelbeschreibungen in Frankreich der 1980er und 1990er Jahre. Wo heute WiFi oder Internetanbindung aufgelistet werden, stand in Frankreich das Minitel als Kommunikationsdienst und Ausstattungsmerkmal. Doch nur wenige ausländische Gäste werden es genutzt haben, denn mit der Einführung des "Médium interactif par numérisation d'information téléphonique" beschritt Frankreich einen Sonderweg. In den 1970er Jahren starteten viele Telekommunikationsanbieter in den USA und Europa die Entwicklung von neuen Diensten mit Bildschirmtext. Durch die Verknüpfung von Bildschirm und Tastatur zu Terminalendgeräten und die Nutzung bestehender Telefonanschlüsse wurden neue interaktive  Kommunikationsdienste geschaffen. Sie zogen noch vor den zeitgleich aufkommenden Personal Computer in viele Privathaushalte ein. Verglichen mit den Möglichkeiten des Internets heute waren die damals angebotenen Dienste bescheiden. Doch neben Auskunftsdiensten und Reisebuchungen gab es mit message-boards bereits eine Austauschmöglichkeit zwischen Nutzern.

Das erfolgreichste System unter den in verschiedenen Ländern verbreiteten Diensten wurde das Minitel. 1982 zum ersten Mal eingeführt, erreichte die Zahl der genutzten Terminals auf dem Höhepunkt 9 Millionen Geräte auf dem französischen Markt. Als passive Terminals umfassten die Geräte Funktionen zur Ein- und Ausgabe von Information, jedoch nicht zur Verarbeitung oder Speicherung von Daten. Die ersten Geräte beinhalteten Modems mit Übertragungsraten von 1200 bit/s (Empfang) und 75 bit/s (Versand). Die Ausgabe auf dem Bildschirm erfolgte über eine Textmatrix von 25 Zeilen x 40 Spalten, in denen Textzeichnen mit einer Auflösung von 6 Pixeln angezeigt wurden.

Das in Frankreich erfolgreiche Business-Modell zur Vermarktung des Dienstes verband die separate Abrechnung der Minitel-Verbindungen über Einwahldienste, die im Minutentakt abgerechnet wurden. Der Angabe der Einwahlnummer, z.B. 3611 für die Telefonauskunft und 3615 für eine Vielzahl kommerzieller Dienste (etwa 26000 in Jahr 1996), folgte ein Textcode für die Auswahl des Dienstes ähnlich dem heutigen Abruf einer Webseite im Internet.  Die Kosten für den Endverbraucher waren mit bis zu 60 Francs (9,15€) pro Stunde teilweise erheblich.

Mit der flächendeckenden Einführung des Internets begann der lange Abschied vom Minitel-Dienst in Frankreich. Der Dienst wurde jedoch sogar noch im Jahr seiner Abschaltung 2012 in geringem Umfang genutzt. In Deutschland floppte hingegen die seit 1983 betriebene kommerzielle Einführung des Bildschirmtexts BTX, der keine signifikante Verbreitung fand und schon zehn Jahre zuvor eingestellt wurde. Das Minitel-System ist nach seiner Abschaltung nun endgültig reif fürs Museum, wo es sich als einer der ersten Online-Dienste vor Entstehung des Internets seinen Platz verdient hat. Das Deutsche Museum hat zwei Minitel-Geräte in gutem Zustand in Frankreich einwerben können. Derzeit werden die Objekte inventarisiert. Geplant ist, sie zu einem späteren Zeitpunkt in der Ausstellung Telekommunikation zu zeigen.

Dr. Michael Brandt ist Kurator für Mikroelektronik und Nachrichtentechnik am Deutschen Museum und damit verantwortlich für die Ausstellung Telekommunikation.

Autor/in

Johannes-Geert Hagmann

ist Kurator für Physik, Geophysik und Geodäsie. Als Referent für Museumkooperationen koordiniert der promovierte Physiker die nationale und internationale Vernetzung des Deutschen Museums mit anderen Einrichtungen. Zur Zeit arbeitet er unter anderem an einem neuen Konzept für die Physik-Ausstellungen und leitet ein DFG-Projekt zur Digitalisierung der Gründungssammlung des Deutschen Museums. Sein Tipp für einen Besuch im Deutschen Museum: Das erste Objekt (Inv.Nr. 1) in den Sammlungen des Deutschen Museums in der Abteilung Museumsgeschichte entdecken!