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Am 30. März 1924 begann in Bayern eine Ära, die die Art und Weise, wie Menschen Informationen erhalten, für immer verändern sollte: das Radio. Unter dem Namen "Deutsche Stunde in Bayern" wurde das erste bayerische Radioprogramm ausgestrahlt und hat seitdem den Alltag, die Kultur und die Gesellschaft geprägt.

„Radio verbindet und ist demokratierelevant“ – so Bayerns Medienminister Dr. Florian Herrmann zum Welttag des Radios am 13. Februar 2023. Heute, 100 Jahre nach der ersten Sendung der „Deutschen Stunde in Bayern", hat das Radio nichts von seiner Faszination verloren. Es bleibt ein Medium, das Menschen aller Altersgruppen und Hintergründe unterhält, informiert und inspiriert. Laut der Funkanalyse Bayern 2022 der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien erreichen die bayerischen Radioprogramme an einem durchschnittlichen Werktag etwa 25 % der bayerischen Bevölkerung ab 14 Jahren. Neben Musik und Unterhaltung ist Radio gerade in Zeiten von Fake News Garant für unabhängige Berichterstattung. Die heutigen Radioprogramme öffentlich-rechtlicher und privater Sender werden über ganz unterschiedliche Plattformen ausgestrahlt. Die terrestrisch empfangbaren Sender werden sowohl über das Digitalradioformat DAB+ als auch über analoge UKW (Ultrakurzwelle)-Technik verbreitet.

Dabei war auch der 28. Februar 1949 ein besonderer Tag in Bayern, denn an diesem Tag nahm der Bayerische Rundfunk in München-Freimann den ersten frequenzmodulierten UKW-Sender Europas in Betrieb. Auf der Frequenz von 90,1 MHz startete die sogenannte „Welle der Freude“, denn mit der Technik der Frequenzmodulation (FM) war ein nahezu störungsfreier Empfang, unabhängig von Tageszeit oder atmosphärischen Störungen zu erzielen. Auch ermöglichte die FM-Übertragung im Gegensatz zu der bis dahin verwendeten Amplitudenmodulation (AM) auf Mittelwelle eine Erweiterung der Tonfrequenzen, was die Hörer als „glasklaren Empfang“ würdigten.

Demnächst werden deutschlandweit alle analogen UKW-Aussendungen vollständig durch das digitale Übertragungsverfahren DAB+ ersetzt werden. Daneben werden Radioprogramme über Internetplattformen als Webradio oder über Satellit ausgestrahlt.

Die Basis dieser vielfältigen Radiolandschaft wurde in Bayern vor 100 Jahren mit der „Deutschen Stunde in Bayern“ gelegt. Etwa 300 Rundfunkteilnehmer verfolgten damals die erste Sendung aus dem Verkehrsministerium in der Münchener Arnulfstraße per Kopfhörer an ihren Empfangsgeräten. Mit 300 W Sendeleistung auf 485 m (entspricht dem Mittelwellenbereich) erzielte man eine Reichweite von etwa 150 km.

Eine später nachgestellte Aufnahme der Sendung vom 30. März 1924 ist hier zu hören:
https://www.ardaudiothek.de/episode/100-jahre-radio/hier-ist-die-deutsche-stunde-in-bayern-1924/br/12815503/

Nur ein paar Monate zuvor ging Deutschlands erster offizieller Radiosender in Berlin an den Start und bereits Ende 1925 zählte man 1 Million Radiohörer in Deutschland. Das neue Medium war von Anbeginn als neutraler, unpolitischer und nicht kommerzieller Unterhaltungsdienst ausgerichtet. Dabei stand neben Bildung und Belehrung Unterhaltung und Erbauung im Vordergrund.

Die Programmgestaltung entwickelte sich rasch und die täglichen Programmstunden erhöhten sich im ersten Jahr von etwa drei auf acht Stunden täglich. Auch die Zahl der Sender stieg stetig an wodurch bald das gesamte Reichsgebiet abgedeckt war.

Rasch entwickelte sich eine prosperierende Industrie, die Radioempfänger in vielfältigen Preis- und Qualitätsklassen herstellte  – vom einfachen Kristalldetektorempfänger bis hin zum modular aufgebauten Röhrengerät. Die Übertragung aller damaligen Radioprogramme erfolgte mittels der sogenannten Amplitudenmodulation (AM) wofür es letztlich nur 2 verschiedene Empfängerprinzipien gab. Zwingend notwendig zum Empfang der Tonsignale war die Gleichrichtung des Radiosignals, das mit Kristalldetektoren auf einfache Art und Weise erzielbar war. Bei diesen Detektoren wurde die Energie für den anzuschließenden Kopfhörer der elektromagnetischen Welle des Radiosignals selbst entnommen und konnte nicht verstärkt werden. Lautsprecherbetrieb war mit Detektorempfängern nicht möglich.

Höherwertige Empfänger besaßen Röhren in der sogenannten Audionschaltung. Dabei wurde die Röhre so beschaltet, dass sowohl Gleichrichtung als auch Verstärkung in ein und derselben Röhre erfolgte. Dazu benötigte man eine Stromversorgung, meist eine sogenannte Anodenbatterie.

Schon damals wurden Lizenzgebühren für den Radioempfang erhoben, die sogar vor dem Kauf eines Radioempfängers zu entrichten waren. Auch entstanden zu dieser Zeit viele Radiobastlerclubs, die sich mit der neuartigen Technologie auseinandersetzten und dem Selbstbau von Radioempfängern widmeten. Auch das sogenannte „Schwarzhören“ mit Eigenbaugeräten erlangte eine gewisse Beliebtheit.

Die notwendigen Empfangsantennen mussten oft individuell installiert werden. In Firmenprospekten und Clubzeitschriften wurden Empfehlungen zu Längen und zum Verschalten von Drähten in vielfältiger Form abgegeben. Beispielsweise wurden als Zimmerantennen kurze Drähte verspannt und das notwendige Erdpotential der Antenne wurde über Heizungs- oder Wasserrohre hergestellt.

Besonders im Sommer war die Gefahr elektromagnetischer Aufladung oder Blitzeinschlag über die Antennenleitungen groß. Daher wurden die Radiohörerinnen und -hörer am Programmschluss regelmäßig aufgefordert: „Vergessen Sie nicht, Ihre Antenne zu erden!“

Heute existieren etwa 100 Lokalradiostationen in Bayern. Deren Vielfalt wiederum der Bayerische Medienminister Dr. Florian Herrmann mit den Worten gewürdigt hat:

„Bayern - Radioland Nr. 1!“

Diesem Statement schließe ich mich mit vielen Grüßen gerne an.

Ihre/Eure
Luise Allendorf-Hoefer

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Autor/in

Luise Allendorf-Hoefer

Luise Allendorf-Hoefer ist Kuratorin für Nachrichtentechnik und Elektronik. Nach dem Elektrotechnikstudium hat sie sich beim Bayerischen Rundfunk um die Audio- und Systemtechnik der Fernsehstudios in München gekümmert um dann nach Abstechern über Kindererziehung, Maschinenbauindustrie und ganz unterschiedlichen Aufgaben im Deutschen Museum ihre Fachgebiete und die Ausstellung Elektronik zu betreuen. Besonders liegt ihr die Funktechnologie am Herzen, für die sie dank ihrer Zuständigkeit für die Amateurfunk Klubstation DLØDM und für Radio Eule im Wortsinn „breitbandiges“ Betätigungsfeld gefunden hat.

 

Ihr Tipp für den Besuch des Deutschen Museums: Die Vorführung des Siplace Bestückautomaten in der Ausstellung Elektronik: State of the Art-Ingenieurskunst in der Anwendung.

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