Digitalisierung , In der Werkstatt
„Digital Encounters - Technologies of the ‘Digital’ Self“ – unter diesem Namen fand vom 9. bis 13. April im Muffatwerk ein ungewöhnlicher Workshop statt. Das interdisziplinäre Projekt mit internationaler Beteiligung war eine Kooperation des Milieux Institute der Concordia University in Montreal, dem Digital Media Lab am Munich Center for Technology in Society (MCTS) der Technischen Universität München, dem Institut für Kunstpädagogik der Ludwigs-Maximilian-Universität und wurde gefördert durch das Bayerische Staatsministerium für Digitales. Bei dem viertägigen Workshop stand die Methodik im Mittelpunkt des Interesses: Research Creation ist eine integrative Forschungsmethode, entwickelt im kanadischen akademischen Umfeld, das die „interpretativen Disziplinen“ der Geistes- und Sozialwissenschaften mit den „kreativen“ Kunst- und Designdisziplinen verbindet. Dabei werden die künstlerischen Schaffensprozesse mit wissenschaftlichen Methoden selbstreflexiv beobachtet und dokumentiert sowie die Wissensproduktion durch kreative und experimentelle Methoden ausgedrückt. Im Fokus steht die Hinterfragung künstlerischer Schaffensprozesse mit dem Ziel epistemologische, technische sowie ästhetische Wissenszugänge aufzudecken.
Im Rahmen des Workshops sollten die Teilnehmer*innen anhand eigener Projekte praktische Erfahrungen mit dieser Forschungsmethode sammeln. Begleitet wurden diese intensiven Arbeitsphasen von Kurzvorträgen zu den zugrundeliegenden theoretischen Konzepten. Nach vier Tagen wurden dann die entstandenen Installationen in einer Ausstellung der Öffentlichkeit präsentiert. Im Zentrum stand die Frage nach dem „Digital Self“ und welchen Einfluss das digitale Zeitalter, das omnipräsente Smartphone und soziale Medien auf uns haben. Dabei ging es einerseits darum, wie wir diese Technologien nutzen und formen, andererseits aber auch wie diese sich auf unser alltägliches Verhalten, unsere Kommunikation und unsere Handlungspraktiken auswirken. Das digitale Abbild kann hierbei – je nach Sichtweise – als exakte Kopie oder Erweiterung des physischen Ichs, als fratzenartiges Bildnis oder als utopische Möglichkeit im Digitalen begriffen werden.
In theoretischen Beiträgen wurde auf die Frage nach dem digitalen Selbst immer wieder aus unterschiedlichen fachlichen Perspektiven Bezug genommen. Jan-Hendrik Passoth vom Digital Media Lab am MCTS stellte das Fachgebiet Science and Technologie Studies (STS) vor und Mariya Dzhimova, Doktorandin des Digital Media Labs, berichtete von ihren Erfahrungen mit ethnographischen Forschungsmethoden. Auch die Teilnehmenden sollten autoethnographische Notizen erstellen und so das eigene künstlerische Schaffen, aber auch die Erfahrungen im interdisziplinären Austausch reflektieren. Diese Selbstreflexion sorgte für das ständige Hinterfragen des eigenen Tuns und der Entscheidungsfindung in einem kreativen Schaffensprozess, der für die meisten Teilnehmer*innen, sowohl mit akademischen, als auch mit künstlerischem Hintergrund, eine neue Erfahrung und Herausforderung darstellte. Karin Guminsiki, Leiterin des Studiengangs Kunst und Multimedia an der LMU, führte in die Methoden des Design Thinkings ein und unterstützte auf diese Weise, ebenso wie Andreas Muxel, Professor für Gestaltung an der Hochschule Augsburg, mit seinem Vortrag zum Thema Prototyping, die Gruppen bei der kreativen Umsetzung ihrer Ideen. Neben einem praktischen Einblick in Ansätze von Reserach Creation von Anna Blumenkranz, die von ihrer Zeit an der Goldsmith University in London berichtete, bildeten vor allem die Vorträge und zahlreichen Beispiele der Organisatoren Christopher Salter, Alexandre Saunier, Ida Toft und Ceyda Yolgörmez einen inspirierenden Einblick in die Arbeit am Milieux Institute sowie in die Idee hinter Research Creation.[1]
Nach vier intensiven Workshop-Tagen voller kreativer Ideen, interdisziplinärer Erfahrungen, Verhandlungen, und der Entwicklung erfolgreicher oder weniger erfolgreicher Prototypen war es am Samstag endlich soweit: Um 13 Uhr öffnete die Ausstellung Digital Encounters ihre Türen für die interessierte Öffentlichkeit. Zahlreiche Besucher*innen fanden ihren Weg in das Muffatwerk um sich die Ausstellung der etwas anderen Art anzusehen.
Von Interesse waren nicht nur die präsentierten Kunstinstallationen, Closed-Loop-Filme und Performances. Herzstück bildeten die ebenso ausgestellten Notizbücher der Teilnehmer*innen. Denn genau das soll der Forschungsansatz sichtbar machen: wie entstehen kreative Inhalte und wie lassen sich diese mit wissenschaftlichen Methoden dokumentieren und untersuchen? Und schließlich war der Workshop auch selbst eine Art „Prototyp“: In Kooperation mit dem Bayerischen Staatsministerium für Digitales, dem Milieux Institute sowie dem MCTS und der LMU sollen in Zukunft weitere derartige Workshops stattfinden.
Und auch für uns vom Deutschen Museum Digital (DMD) war der Workshop nicht nur eine persönliche Bereicherung. Neben spannenden Ideen für eigene Projektarbeiten und einen neuen Blick auf die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema Digitalisierung entstanden im Austausch mit den Organisatoren und Beteiligten bereits erste Ideen für zukünftige Projekte an der Schnittstelle zwischen Gesellschaft, Digitalisierung, Wissenschaft und Kunst im und am Deutschen Museum. Nicht zuletzt vermitteln gerade innovative Kunstprojekte die Möglichkeiten neuer Technologien, wie Virtual Reality, und führen so immer auch zur Weiterentwicklung, diese wollen gerade wir als Team DMD, unter anderem im VRlab, für die Besucher*innen des Deutschen Museums sichtbar machen wollen. Bleibt uns nur DANKE zu sagen an alle Teilnehmer*innen und vor allem an die Organisator*innen, allen voran Silke Schmidt vom Bayerischen Staatsministerium für Digitales, die diesen Workshop erst möglich gemacht hat. Wir freuen uns auf weitere Zusammenarbeit und spannende neue Projekte aller Beteiligten.
[1] Salter, Chris: Alien agency. Experimental Encounters with Art in the Making. Cambridge/Massachusetts 2015 und ders.: Entangled. Technology and the Transformation of Performance. Cambridge/Massachusetts 2010.