von Florian Vogl
Wie leben wir im Jahr 2125? Besucherinnen und Besucher schreiben ihre Visionen auf Postkarten – fantasievoll, kritisch, hoffnungsvoll. Gemeinsam mit Alltagsobjekten unserer Zeit wandern sie in eine Zeitkapsel, die erst in 100 Jahren geöffnet wird. Ein Blick in die Zukunft – aus Sicht von heute.
Schon zur Weltausstellung im Jahr 1900 in Paris stellen sich Menschen diese Frage. Fliegende Postboten, Wale als Unterwasser-Taxis oder Video-Telefonie – all das waren Visionen vom Jahr 2000, liebevoll illustriert auf Postkarten. Aus heutiger Sicht wirken diese Ideen teils amüsant teils erstaunlich visionär. So findet etwa die Video-Telefonie nicht am Computer mit Webcam statt, sondern in einem bürgerlichen Salon – mit Projektor, Leinwand und einer Kombination aus Tele- und Phonograph. Dieses Beispiel zeigt: Zukunftsvisionen sind oft eine Mischung aus fantasievoller Weiterentwicklung des Bekannten und zukunftsgerichteten Hoffnungen.
Das Beispiel der Kommunikationstechnik zeigt eindrucksvoll, wie stark sich unser Alltag verändert hat:
Vor gut 100 Jahren begann das Radio, Alltag und Freizeit zu prägen. Es revolutioniert die Art und Weise, wie Menschen Informationen erhielten. Nachrichten und Musik erreichten ein großes Publikum direkt im Wohnzimmer. Bereits Ende 1925 hörten in Deutschland bereits ca. eine Million Menschen regelmäßig Radio.
Heute ist das Smartphone ein täglicher Begleiter – für viele unverzichtbar. Die verschiedenen Apps übernehmen zahlreiche Funktionen – wofür früher einzelne Geräte notwendig waren. Viele prägen den Alltag, das Arbeitsleben und die Freizeit. Gleichzeitig werden Daten gesammelt und unser Verhalten analysiert. Lernende Algorithmen bestimmen, was wir sehen.
Wie geht diese Entwicklung weiter?
Urne mit den bereits gesammelten Postkarten. Bild: Deutsches Museum
Welche technologischen Entwicklungen sind in 100 Jahren alltäglich? Welche naturwissenschaftlichen Entdeckungen verändern dann unsere Welt? Welche Fortschritte gibt es in Bereichen wie Energie, Mobilität oder Gesundheit – für uns Menschen und unseren Planeten?
In Anlehnung an die Postkarten-Aktion der Weltausstellung 1900 in Paris sind auch viele Besuchende des Deutschen Museums kreativ geworden und haben eigene Ideen entworfen. In einer Urne befinden sich bereits zahlreiche Postkarten – beschrieben und bemalt mit ihren Zukunftsvisionen. Noch keine Idee? Zur Inspiration liegen Karten mit verschiedenen Objekten des Deutschen Museums aus, die die Vielfalt der Ausstellungen und Themen für eigene Überlegungen zeigen. Sie stellen Fragen, wie das Leben im Jahr 2125 aussehen könnte – regen zum Spekulieren, Träumen und Gestalten an. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Eine Auswahl der Postkarten schicken wir in die Zukunft – sie werden Teil unserer Zeitkapsel.
Die noch halbbefüllte Zeitkapsel im Umfeld des Aktionsstandes. Bild: Deutsches Museum
Blick in die noch nicht vollständig gefüllte Zeitkapsel mit Museumsdokumenten. Bild: Deutsches Museum
Zum 100-jährigen Jubiläum des Deutschen Museums auf der Museumsinsel verschließen wir am 5. Mai 2025 eine Zeitkapsel – gebaut von den Werkstätten des Museums. Geplant ist, sie erst in 100 Jahren wieder zu öffnen. Das verrät die Gravur auf der Deckelplatte: “Zeitkapsel zur 100-Jahr-Feier. Vertrauensvoll zu öffnen am 7. Mai 2125.” Dann erzählt ihr Inhalt Geschichten über unsere Gegenwart: Was ist geblieben? Was wirkt kurios? Was ist längst vergessen?
Die Zeitkapsel enthält verschiedene alltägliche Gegenstände, die ein Porträt unserer Gegenwart zeichnen. Sie stehen exemplarisch für das, was für uns in Technologie, Alltag und Gesellschaft heute typisch und selbstverständlich ist. Neben einem Gruppenfoto der Museums-Mitarbeitenden und einer Ausgabe der Mitarbeiterzeitschrift Eule, finden sich in ihr auch Alltagsgegenstände wie ein Zauberwürfel, eine Skibrille und Arbeitshandschuhe oder auch eine Flasche Wein.
Neben den Gegenständen haben auch die gestalteten Postkarten der Besuchenden Platz. Die Zeitkapsel bewahrt auch unsere Visionen für die Zukunft – als eine Momentaufnahme von heute. Vielleicht bringen sie die Menschen in der Zukunft auch zum Staunen oder Nachdenken – wie uns heute die Vorstellung von fliegenden Postboten oder die Videotelefonie zum Schmunzeln bringt.